Pflicht zur Freiwilligkeit

betr.: „SPD stimmt freiwillig für Wehrpflicht“, taz vom 21. 8. 07

Eine „freiwillige Pflicht“ ist wie ein schwarzer Schimmel, aber das scheint niemanden zu irritieren. Selten ist doch wohl das Volk für dermaßen dumm verkauft worden. Es ist das gleiche Spiel wie mit der privaten, also freiwilligen Altersvorsorge, die mancher Politiker (und die Versicherungsindustrie!) gern zur Pflicht machen würde!

Warum braucht ein Land wie Deutschland tatsächlich keine allgemeine Wehrpflicht mehr? Weil es genügend „Freiwillige“ gibt und wohl noch lange geben wird: Millionen von Arbeitslosen, hunderttausende Jugendliche ohne Ausbildungsplatz, ohne Perspektive, ohne Zukunft, die halt lieber in den sauren Apfel beißen und sich „freiwillig verpflichten“. Die Bundeswehr macht es ihnen aber auch wirklich leicht, stellt sie doch ihre Rekrutierungsstände gleich in den Jobcentern auf!

Wozu sollte man da übrigens auch weiter Zivis beschäftigen? Es gibt doch genügend potenzielle 1-Euro-Jobber! Wenn die Wehrpflicht, wie wir sie kennen, abgeschafft wird – und damit der Zivildienst –, wird der Druck auf Hartz-IV-Empfänger, einen solchen „Job“ anzunehmen, größer und größer. (Laut dem Soziologen Richard Sennett in „Der flexible Mensch“ galt „Job“ im Englischen des 14. Jahrhunderts als Klumpen oder Stückgut, das man herumschieben konnte – wie passend!) TIM KARSTEN, Berlin