Vertagter Dialog und neue Luftangriffe

LIBYEN Die UNO kündigt weitere Verhandlungen zwischen den beiden konkurrierenden Regierungen an. Frankreichs Präsident François Hollande lehnt eine Intervention seines Landes ab

TUNIS taz | Die für diese Woche geplanten Verhandlungen zwischen den libyschen Konfiktparteien sind auf unbestimmte Zeit vertagt worden. Stattdessen wurde an mehreren Fronten wieder gekämpft. Die international anerkannte Regierung im ostlibyschen Tobruk setzt dabei verstärkt auf ihre mit Ägyptens Hilfe aufgerüstete Luftwaffe.

Zum vierten Mal bombardierten MiG-23-Jets am Sonntag die Hafenstadt Misurata, deren islamistische Milizen seit dem Sommer die 200 Kilometer entfernte Hauptstadt Tripolis besetzt halten. Während des Luftangriffs wartete nur wenige Kilometer entfernt ein vollbesetzter Airbus von Turkish Airlines mit Ziel Istanbul auf die Freigabe vom Tower. Luftwaffensprecher Gerushi warnte, künftig türkische und katarische Flugzeuge abzuschießen. Seit Langem werfen die Militärs und säkulare Politiker den Regierungen beider Länder vor, mit den Islamisten Libyens gemeinsame Sache zu machen.

Eine kilometerlange Rauchwolke über dem Golf von Sirte zeugte vergangene Woche von schweren Kämpfen an der Grenze der Provinz Kyrenaika im Osten mit Tripolitanien im Westen. Mit Raketen hatten Misurata-Einheiten einige Öltanks des größten Terminals al-Sider in Brand geschossen. Der Ölexport Libyens liegt mit unter 300.000 Barrel am Tag unter dem Eigenverbrauch des ölreichsten afrikanischen Landes. Nach dem Scheitern des politischen Dialogs versuchen Milizen, die Kontrolle der Ölvorkommen und die künftige Grenzziehung der Regierungsbezirke mit Waffen zu bestimmen.

Zunehmend leidet auch die Zivilbevölkerung unter dem Konflikt. Ganze Stadtteile von Bengasi im Osten des Landes sind entvölkert, in den Nachbarstädten al-Baida und Tobruk hat praktisch jede Familie Flüchtlinge aufgenommen. Die Rekordniederschläge mit Temperaturen nahe dem Gefrierpunkt machen das Leben in den Flüchtlingslagern bei Tripolis zum Albtraum, für die Premierminister Abdullah al-Thenni aus Geldmangel das Budget gekürzt hat.

Während UN-Sprecher Samir Ghattas am Montag baldige Gespräche angekündigte, bereitet die französische Regierung bereits einen Militäreinsatz gegen Extremisten im Grenzgebiet zwischen Libyen, Algerien und dem Niger vor. Seit mehreren Wochen greifen Fremdenlegionäre zwischen Ostlibyen und Mali pendelnde Extremisten an. Präsident François Hollande dementierte am Montag Gerüchte über einen bevorstehenden Militäreinsatz und fügte hinzu, „dies würde nur mit einem klaren UN-Mandat geschehen“.

Quellen in Südlibyen berichten gegenüber der taz jedoch von mehreren Waffenlagern libyscher Extremisten, die von der französischen Armee am Grenzpass Salvador ausgehoben wurden. Wie blutig ein erneuter internationaler Militäreinsatz in Libyen werden könnte, zeigt der Angriff mutmaßlicher Extremisten auf einen Kontrollpunkt der libyschen Armee entlang der Schmuggelroute von Derna in die Sahara. Mindestens neun Soldaten und zwei sudanesische Migranten wurden bei dem nächtlichen Überraschungsangriff ermordet. MIRCO KEILBERTH