Bremens neuer Klinikpolitiker

Am 1. September soll der neue Gesundheits-Staatsrat Hermann Schulte-Sasse seine Arbeit beginnen. „Ein Jahr verloren“, ist seine Diagnose der Klinikpolitik. Auch bei Affenversuchen kennt er sich aus

Von Klaus Wolschner

Bremens neue Regierungsmannschaft ist komplett – fast. Zum 1. September ist noch ein Posten zu besetzten, der des Staatsrates für Gesundheit. Hermann Schulte-Sasse ist der Neue, parteilos, aber in Bremen kein Unbekannter. Am Sonntag war er zur Vorstellungsrunde bei Theo Schlüters Radio-Bremen-Talk unter der Überschrift „Du bist kaum da und schon musst Du regieren“.

„Politiker reden nicht über heiße Themen in der Öffentlichkeit“, erklärte er da – Schulte-Sasse, von der Ausbildung Arzt, ist erfahren in der Politik. Aber seine Vorstellungen hat er gleichwohl – und auch keine Scheu, sie auf Nachfrage zu erläutern. Das erste dicke Problem, das auf das ihn zukommt, wenn er vom Senat zum Staatsrat ernannt wird, ist die Klinik-Politik. Ein Jahr Zeit sei verloren worden, sagt er, durch Klinikskandal und Senatorenwechsel. Dabei sei jedem klar: „Das Klinikum Mitte muss neu gebaut werden.“ Und: „Wenn wir genügend Geld im öffentlichen Haushalt hätten, dann würde ich immer dafür plädieren, das öffentlich zu finanzieren.“ Aber wenn das Geld nicht da ist, „dann kann man es nur mit privaten Investoren machen“. Das, so sein Eindruck, sei inzwischen auch die Position der Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne).

Bundesweit geht man davon aus, dass 25 Prozent der Klinikbetten in den nächsten Jahren abgebaut werden müssen. „Das wird auch an Bremen nicht vorbeigehen“, weiß Schulte-Sasse. Auch Krankenhäuser bewegen sich auf einem Markt. Das könne Abteilungen und auch Klinik-Standorte treffen, wenn sie unwirtschaftlich sind. Tabus kann es in dieser Diskussion nicht geben, findet Schulte-Sasse: „Am Ende kommt es darauf an, dass unsere Krankenhäuser im Wettbewerb bestehen können.“

Dass der Gesundheitspolitiker Schulte-Sasse in den nächsten zwei Jahren auch viel mit dem Thema Affenversuche zu tun hat, das schreckt ihn nicht. „Die letzten fünf Jahre was ich in Berlin ebenfalls für den Tierschutz zuständig“, sagt er – und war auch schon mit dem Verfahren befasst, an deren Ende in Berlin Affenversuche vom Senat nicht genehmigt wurden. „Das war in Berlin eine heiße Diskussion, weil ein renommierter Forscher mit seinen Experimenten an die FU wollte.“ Es geht bei der tierschutzrechtlichen Abwägung „immer auch um die Frage des Nutzens für den Menschen“, sagt der Arzt Schulte-Sasse. Reine Grundlagenforschung sei als Begründung zu wenig. „Ich würde nie einem wissenschaftlichen Projekt meine Zustimmung erteilen können, bei dem ersichtlich ist, dass der wissenschaftliche Fortschritt irrelevant ist.“ In der Wissenschaft gebe es auch das Karriere-Interesse Einzelner als wesentliche Triebfeder.

Der parteilose Schulte-Sasse ist in Waltrop bei Dortmund aufgewachsen, hat nach dem Studium zwei Jahre in der Entwicklungshilfe in Ecuador gearbeitet. Und dort erlebt, wie Produkte auch deutscher Pharmakonzerne frei verkauft werden. „Ein schockierendes Erlebnis“, wie er heute noch sagt. In Deutschland zurück arbeitete er für eine bundesweite Kampagne gegen die Praktiken der Pharmaindustrie. Was den Bremer Pharmakologen Peter Schönhöfer auf ihn aufmerksam machte – der holte Schulte-Sasse in sein Institut für Präventionsmedizin „BIPS“. Die Münchener SPD warb ihn ab – als Dezernent für Gesundheit machte er kommunalpolitische Erfahrungen. Unter der grünen Ministerin Andrea Fischer wurde Schulte-Sasse Hauptabteilungsleiter mit Zuständigkeit für die Arzneimittelpolitik in Bonn, später wechselte er als Gesundheits-Staatsrat in den Berliner Senat. Nun ist er zurück in Bremen – wo er übrigens einmal „Sprecher der Liste Gesundheit“ war, bei der Ärztekammer-Wahl.