Jérôme Boateng, Gangster-Kicker
: Der Boss aus dem Ghetto

JÉRÔME BOATENG, 18, Halb-Ghanaer, deutscher U 17-Nationalspieler, kam von TB Berlin über Hertha zum HSV FOTO: DPA

Obwohl der Spieler noch einen Vertrag besitzt, setzt er seinen Verein unter Druck, forciert einen Vereinswechsel mit allen Mitteln. An seiner Seite ein findiger Berater. Den Hamburgern wird diese Geschichte eines von der fußballerischen Legionärskrankheit befallen Profis bekannt vorkommen, doch es ist nicht das Wechseldramolett des Rafael van der Vaart.

Es geht um Jérôme Boateng, der mit allen Mitteln weg wollte aus Berlin und jetzt endlich angekommen ist in Hamburg. Der 18-Jährige hat beim HSV bis 2012 unterschrieben und kostet mehr als eine Million Euro. Viel Geld für einen Spieler, der bei der Hertha eher Mitläufer war und gerade einmal 655 Bundesliga-Minuten auf dem Platz stand.

In Berlin sind sie mittlerweile froh, den extrovertierten Defensivallrounder verkauft zu haben. Mit ihm geht der Letzte aus einer Generation von Spielern, die an der Schwelle zur Bundesliga den Sinn für die Realität verloren: Dejagah, Schorch, und Boatengs Bruder Kevin-Prince. Nicht einmal Stammspieler, forderten die Ex-Hertha-Bubis mehr Geld, führten sich auf wie Stars. In Berlin wurde ihnen eine „Ghetto-Mentalität“ nachgesagt: Am Ball könnten sie alles, nur im Kopf, da liefe etwas schief.

Das alles scheint auch für Jérôme Boateng zu gelten. Das 1,96 Meter große Kraftpaket besitzt eine für einen Verteidiger überragende Technik. Er ist ein Straßenfußballer, hat den Umgang mit dem Ball im Weddinger Ghetto im Asphalt-Käfig gelernt. Außerhalb des Platzes wirkt er wie ein Gangster-Rapper: weite T-Shirts, dicke Goldkette.

Am Freitag, beim 1 : 2 in Bochum, durfte er noch nicht für den HSV ran – auch nicht, als Abwehrchef Kompany vom Platz flog. Aber vielleicht kann er schon bald zeigen, welches Blut in seinen Adern fließt: Sein Großvater ist der Cousin von „Boss“ Helmut Rahn. LUCAS VOGELSANG