Der Karriere den richtigen Dreh geben

Der Diskuswerfer Robert Harting macht sich Hoffnungen auf den dritten Platz bei der Leichtathletik-WM in Japan. Für den 22-Jährigen wäre es die Krönung seiner jungen, aber bereits sehr wechselhaften Karriere. Denn Harting galt lange als Raufbold

VON TORSTEN HASSELBAUER

Genauso stellt man sich einen Diskuswerfer vor: 2,01 Meter groß, 125 Kilo schwer und Schuhgröße 50. Robert Harting entspricht diesem Bild eines Modellathleten. Morgen möchte sich Deutschlands derzeit bester Diskuswerfer bei der Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Osaka in die Medaillenränge werfen. Bei der Generalprobe – der Qualifikation am Sonntag für das Finale – klappte das noch nicht: Mit 66,26 Metern wurde er Vierter, knapp 1,20 Meter hinter dem besten Werfer.

Harting ist erst 22 Jahre alt. Aber in den wenigen Jahren seiner Sportlerkarriere hat er schon alles das durchgemacht, was einem Spitzensportler passieren kann. „Bei mir geht es immer ganz schnell. Was man sonst als Sportler in einem Sieben-Jahre-Rhythmus erlebt, dafür brauche ich immer nur die Hälfte“, erklärt der in Berlin lebende Hüne.

Die großen Zeitsprünge des Robert Harting bekamen dem Hauptgefreiten der Sportfördergruppe in Potsdam jedoch nicht immer gut. Ganz schnell war er ganz oben. Als erster 20-jähriger Diskuswerfer auf der Welt hatte er über 66 Meter weit geworfen. Damals gab es keinen Zweifel: Das Talent galt als sicherer Nachfolger der deutschen Diskusikone, des fünfmaligen Weltmeisters Lars Riedel.

Hochgejubelt, tief gefallen

Doch dann kam die Krise. Harting galt als eine Art Raufbold unter den Spitzensportlern im Kader des Deutschen Leichtathletik Verbandes (DLV). Und er tat einiges, um diesem zweifelhaften Ruf gerecht zu werden. „Vom Disko-Schläger zum Diskus-Sieger“ war nur eine Schlagzeile passend zu dieser wilden Zeit des gebürtigen Thüringers. Auch äußerlich glich sich Harting diesem Image an. Ein Piercing an der rechten Augenbraue und ein Tatoo am linken Unterarm waren die passenden Symbole für diesen Lebensabschnitt. „Ich war ein echter Idiot. Viel zu ehrgeizig, rücksichtslos und verbissen. Eigentlich konnte ich mich selbst nicht leiden“, erklärt Harting heute.

Vom Herbst 2004 bis zum März 2006 versuchte er dann sein Leben außerhalb des Diskusrings zu ändern. Er wechselte – ein wenig vorschnell – den Trainer. Gemeinsam mit Diskus-Bundestrainer Jürgen Schult versuchte Harting sein Glück. Sportlich schien sich die Trennung von seinem alten Coach Werner Goldmann zunächst auszuzahlen. Der für den SC Charlottenburg werfende Riese stabilisierte seine Weiten zwischen 64 und 66 Meter.

Doch alles andere in der Beziehung zwischen dem Athleten und seinem neuen Trainer passte gar nicht zusammen. „Der Schult wollte aus mir einen ganz anderen Menschen machen, ein Art Yuppi. Als ich da nicht mitmachte, ging der Stress erst richtig los“, erklärt Harting. So kehrte er im März des vergangenen Jahres zu seinem alten Trainer zurück.

Prompt stellten sich die Lockerheit und der Spaß am Diskuswurf wieder ein. „Ich fürchtete schon, das kommt nie wieder“, berichtet der Modellathlet. Mit seinem alten Trainer Schult wechselt er jedoch kein Wort mehr. Harting fühlte sich nach der Trennung vom Bundestrainer regelrecht gemobbt; er geht ihm seitdem aus dem Weg oder ignoriert ihn. So geschehen etwa bei den Deutschen Leichtathletikmeisterschaften Mitte Juni in Erfurt, als Harting den Diskus auf 63,79 Meter schleuderte. Eine magere Weite – aber es reichte.

Nicht zuletzt deswegen, weil der Vizemeister der beiden vergangenen Jahre in Erfurt fast konkurrenzlos war. Lars Riedel, die deutsche Diskuswurfikone, ist verletzt und hat die Saison vorzeitig beendet. Sein anderer Konkurrent, Michael Möllenbeck, ist außer Form.

Es muss optimal laufen

Die Qualifikationsweite zur Weltmeisterschaft im japanischen Osaka von 64,50 Meter hatte Harting schon früh in diesem Jahr und mehrfach übertroffen. Bei einem offiziellen Wettkampf steht Harting aktuell mit 66,93 Meter in den Listen. Mit dieser Weite gehört er zwar nicht ganz zur absoluten Weltspitze. Aber es könnte bei der WM zu einem dritten Platz reichen. „Jedoch nur, wenn der Wettkampf ganz optimal läuft“, wie Harting ergänzt.

Auch die Olympischen Spiele in Peking strebt der Wahlberliner an – und natürlich die nächste Leichtathletik-WM in Berlin im Jahr 2009. „Dann will ich aber studieren. Am liebsten Architektur, denn ich bin ein kreativer Mensch“, sagt der Nochdeutsche Vizemeister. Für Harting gibt es eben auch immer ein Leben außerhalb des Diskusrings – und das lässt er sich von niemandem mehr nehmen.

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