Juncker und Draghi gegen Berlin

KRITIK Die EU hält gar nichts von der neuen „Griechen raus“-Debatte. Man kann keinen aus dem Euro hinauswerfen, warnt Brüssel. Kommissionschef Juncker ist die Querschüsse aus Berlin nämlich leid

BRÜSSEL/BERLIN taz | Griechenland raus aus dem Euro? Ausgeschlossen! So reagierte die EU-Kommission am Montag auf die Drohung aus Berlin, das hochverschuldete Land bei Nichtbefolgen der (vornehmlich deutschen) Sparauflagen aus der Währungsunion zu werfen.

Die Zugehörigkeit zur Eurozone sei „unwiderruflich“, sagte eine Sprecherin mit Hinweis auf den EU-Vertrag. Brüssel werde sich daher auch nicht an „Spekulationen“ über einen möglichen „Grexit“, also den Austritt Griechenlands aus dem Euro, beteiligen.

Das war höflich formuliert, darf aber getrost als Ohrfeige an die Urheber der Meldung im Kanzleramt oder im Bundesfinanzministerium gewertet werden. Kommissionschef Jean-Claude Juncker ist die dauernden Querschüsse aus Berlin nämlich leid.

Schon 2010 bis 2012, auf dem Höhepunkt der Eurokrise, musste sich Kommissionschef Juncker, der damals noch die Eurogruppe leitete, mit den Manövern von Kanzlerin Angela Merkel herumschlagen.

Vor allem die Forderung nach einem Schuldenschnitt sorgte für massiven Ärger – und für heftige Turbulenzen auf den Finanzmärkten. Diesmal reagieren die Märkte zwar relativ gelassen – nur an der Börse in Athen gab es nennenswerte Ausschläge –, der politische Schaden ist allerdings groß. Schließlich war Jean-Claude Juncker angetreten, um die Eurokrise ein für allemal zu beenden und die EU zusammenzuhalten.

Ein Austritt Griechenlands aus dem Euro würde jedoch wohl auch einen Austritt aus der Europäischen Union bedeuten. Das wiederum dürfte die Anti-EU-Debatte in Großbritannien anheizen. Die „letzte Chance“, die Juncker für die Rettung der Union nutzen will, wäre damit vertan.

Dass Griechenland ein Einzelfall bliebe, wie man offenbar in Berlin glaubt, ist auch nicht sicher. Portugal hat den Ausstieg aus der Eurorettung nur mit Ach und Krach geschafft, Zypern hängt immer noch am Tropf. Zudem könnte ein „Brexit“ die Spekulation gegen Länder wie Italien oder Spanien anheizen – genau wie im Jahr 2012, als die Währungsunion fast zusammengebrochen wäre.

Dass es damals noch einmal gut ging, lag nicht etwa an den harten Spar- und Reformauflagen, sondern an einem Machtwort von Mario Draghi, dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB). Der Italiener gelobte, alles zu tun, was nötig wäre, um den Euro zu retten.

Damals glaubten ihm die Anleger, die Krise verebbte. Ob das jedoch heute genauso wäre, ist fraglich. Denn zuletzt hat sich Draghis Zauber auf die Märkte kaum noch ausgewirkt. Angesichts von Deflations- und Rezessionsgefahr in Euroland wirkt der EZB-Chef ziemlich ratlos.ERIC BONSE

Meinung + Diskussion SEITE 12