„Die Menschen wollen arbeiten“

Die Hamburger BAT-Stiftung für Zukunftsfragen hat sich für ein „minimales Existenzgeld“ für alle Bürger ausgesprochen. Zukunftsforscher Horst Opaschowski erklärt, wie das aussehen soll

HORST OPASCHOWSKI, 66, ist Zukunftswissenschaftler und Leiter der BAT-Stiftung für Zukunftsfragen in Hamburg.

INTERVIEW: ANNIKA STENZEL

taz: Herr Opaschowski, mal angenommen, iIhr Existenzgeld wird eingeführt. Wird dann noch jemand arbeiten?

Horst Opaschowski: Natürlich. Schon aus psychologischer Sicht. Der Mensch ist auf Leistung programmiert. Menschen wollen immer etwas haben, das andere nicht besitzen. Sie wollen mehr Geld und sich damit von anderen abgrenzen. 86 Prozent der Befragten wollen weiterarbeiten. Der Wettbewerb ist im Menschen angelegt.

Sie haben einen Betrag von 580 Euro errechnet. Wie kommen Sie darauf?

Das ist eine ganz pragmatische Sache. Monatlich werden in Deutschland 48 Milliarden Euro für die soziale Sicherung ausgegeben. Teilt man dies durch die Bevölkerung, so kommt man auf einen monatlichen Betrag von 580 Euro. Bei Alleinstehenden in Deutschland liegt der Sozialhilfesatz bei 580 Euro monatlich und wir haben die Bevölkerung befragt: Die Befragten haben ein Spektrum zwischen 350 und 580 Euro angegeben.

Trauen Sie der Bevölkerung überhaupt zu, dass sie sich so gut mit Haushalt und Steuern auskennen, dass sie eine solche Entscheidung fällen kann?

Die Befragten taten sich schon schwer, das Existenzminimum zu schätzen. Aber ich traue ihnen einen durchaus realistischen Blick in die Zukunft zu, also dass ihre Rente unsicher ist.

Wie wollen Sie das finanzieren?

Wie bisher, durch Um- und Neuverteilung wie zum Beispiel die Familienförderung mit ihren 150 Fördertöpfen. Dahinter steckt immer eine Verwaltung die Geld kostet. Davon könnte man realistisch gesehen die Hälfte wegsparen. Förderungen wie Qualifizierungsmaßnahmen müssen natürlich bleiben.

Dann wird ja nur noch Wahlkampf mit der Erhöhung des Existenzgeldes gemacht.

Nein, es liegt dann ganz im Interesse der Leistungsfähigen in der Gesellschaft den Betrag möglichst niedrig zu halten. Denn alles, was über das Notwendige hinausgeht tragen die Leistungsfähigen durch die Steuern, die sie entrichten müssen.

Wie soll das Steuersystem dann aussehen?

Der Steuersatz wird sich auf lange Sicht ändern müssen zu einem Einheitssteuersatz. Auf vielleicht 25 Prozent. Aber ganz soweit haben wir dann doch nicht gedacht.

Steigt dann der Anreiz schwarz zu arbeiten?

Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich die Schwarzarbeit weiter ausbreitet. Heute wird ein Arbeitsloser doch bestraft, wenn er etwas dazu verdient. Beim unserem System wird das nicht so sein. Weil das Existenzgeld dazuverdienen geradezu fördert.

Der Betrag von 580 Euro würde dann ja aber nicht jedes Jahr gleich bleiben?

Natürlich nicht. Die Regierung definiert das Existenzminimum schon heute fast jedes Jahr neu. Die inflationäre Anpassung wird es auch in Zukunft geben. Aber es liegt im Interesse der Bevölkerung, dass dieser Betrag stabil bleibt.

Und was passiert mit den unangenehmeren Arbeiten, wie beispielsweise Müllmann oder Altenpflege. Wie wollen Sie da Anreize schaffen?

Mit dem Existenzgeld kommt man doch auf Dauer nicht über die Runden. Außerdem soll das Existenzgeld nach Meinung der Bevölkerung nicht bedingungslos bleiben. Soziale Dienste könnten Pflicht werden oder werden auf die Rente angerechnet. Das wird dann beispielsweise auch Kindererziehungszeit für Frauen sein.

Mit Ihrem Existenzgeld wird Deutschland ja zum Traum aller Einwanderer…

Wer das Existenzgeld beansprucht muss mindestens fünf Jahre in Deutschland gearbeitet haben.