Wirtschaft spart Kohle

Mit der Norddeutschen Affinerie legt sich das erste Unternehmen auf eine Beteiligung am Klimaschutzprogramm des Hamburger Senats fest. Umweltverband BUND vermutet, die Kupferhütte reagiere damit bloß auf steigende Strompreise

Das in der vergangenen Woche vom Hamburger Senat vorgestellte Konzept für den Klimaschutz in Hamburg umfasst insgesamt 170 Vorhaben (taz berichtete). Nach den Plänen des Senats sollen Busse und Bahnen häufiger fahren, die Radwege ausgebaut sowie vier autofreie Sonntage eingeführt werden, an denen die Nutzung des HVV unentgeltlich ist. Im Bereich der Energieerzeugung soll der Anteil von Gas und Öl am Energiemix reduziert sowie der Anteil erneuerbarer Energien erhöht werden. Am geplanten Steinkohlekraftwerk Moorburg sowie an der Forderung der Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke hält der Senat aber weiter fest. Der dritte Schwerpunkt des Programms ist die Förderung von Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz bei Gebäuden, etwa durch Dämmung oder Erneuerung der Fenster. Die Opposition kritisierte das Konzept vor allem wegen fehlender Angaben zur Finanzierung. BEG

VON GERNOT KNÖDLER

Acht Prozent hat der Hamburger Senat im Sack. Das ist der Beitrag, den die Norddeutsche Affinerie (NA) zu den Klimaschutzanstrengungen der Hamburger Wirtschaft leisten will. Mit der Ankündigung, bis 2012 rund 40.000 Tonnen seines jährlichen Kohlendioxid-Ausstoßes einzusparen, hat Europas größte Kupferhütte gestern die Führung übernommen. Am 12. September will der CDU-Senat die Unternehmen gleich dutzendweise feierliche Absichtserklärungen zum Klimaschutz unterzeichnen lassen. Das Ziel: Die Wirtschaft soll sich freiwillig verpflichten, den jährlichen CO2-Ausstoß bis zum Jahr 2012 um 500.000 Tonnen zu senken.

Nach dem Willen von Bürgermeister Ole von Beust, dem Klimaschutzbeauftragten der Bundes-CDU, soll der Stadtstaat zur Modellregion für den Klimaschutz werden. Bis 2012 will Beust den Kohlendioxid-Ausstoß um zwei Millionen Tonnen senken. Ein Viertel davon sollen die Unternehmen beisteuern. „Überall, wo wir nicht über legislative Kompetenzen verfügen, sind wir den Weg der freiwilligen Verpflichtung gegangen“, sagt Umweltsenator Axel Gedaschko (CDU). Bereits in der Vergangenheit hat der Senat, aufbauend auf rot-grüne Vorgängerprogrammen, auf Überzeugungsarbeit gesetzt. Durch das seit 2003 laufende Förderprogramm „Unternehmen für Ressourcenschutz“ sparten die Betriebe 60.000 Tonnen CO2 – und rund 6,7 Millionen Euro Kosten.

Auch Werner Marnette, der Vorstandsvorsitzende der „Affi“, machte keinen Hehl daraus, dass sich sein 22-Millionen-Euro-Klimaschutzpaket rentieren wird. „Von unseren 200 Einzelmaßnahmen sind nicht alle für sich wirtschaftlich“, sagte Marnette, „wohl aber per saldo“. Das Beispiel der NA zeige, dass Wirtschaftswachstum und Klimaschutz keine Gegensätze zu sein brauchten und intelligentes Wachstum möglich sei, kommentierte Umweltsenator Gedaschko.

Weniger glänzend sehen die Pläne der Affi aus der Perspektive des Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) aus. „Das hätte das Unternehmen ohnehin gemacht, um auf die steigenden Energiekosten zu reagieren“, sagte BUND-Landesgeschäftsführer Manfred Braasch. Es sei zwar eine gute Nachricht, dass die Affinerie ihren CO2-Ausstoß kräftig drücken wolle. Zugleich zeigten die 200 Projekte, welches Einsparpotenzial in solchen Firmen stecke und dass der Anteil der Atomkraftwerke an der Energieversorgung durch Sparen überflüssig gemacht werden könne.

Neben der NA plant auch der Aluminium-Produzent Trimet, in seinem Hamburger Werk den Klimaschutz voranzutreiben. Das Unternehmen wolle den Ausstoß an Perfluorierten Kohlenstoffen (PFC) verringern, die ebenfalls zum Treibhauseffekt beitragen, sagte Bereichsvorstand Martin Iffert. Gegenüber dem Jahr 2004 solle damit ein Effekt erzielt werden, der einer Einsparung von 50.000 bis 100.000 Tonnen CO2 entspreche.

Sowohl die Handelskammer als auch der Industrieverband Hamburg (IVH) halten die Vorgabe, 500.000 Tonnen CO2 einzusparen, für realistisch. Die Wirtschaft habe sich die Zahl nicht ausgedacht, jetzt liege sie aber auf dem Tisch, sagte Ulrich Bremer von der Handelskammer. „Nach unseren Informationen sieht es so aus, als würden die 500.000 am 12. September übertroffen werden.“ Der Hamburger Senat habe ein fundiertes Programm für nachhaltigen Klimaschutz jenseits aller Symbolpolitik vorgelegt, lobte gestern Karl Gernandt, der Vorsitzende des IVH.

NA-Chef Marnette lobte den „Hamburger Weg“ wegen seines „bottom-up-Ansatzes“. Der Senat habe zig Maßnahmen entwickelt und daraus ein Konzept erarbeitet. Genauso habe es die Affinerie gemacht. „Sie kommen zu so etwas nur dann, wenn sie ein Unternehmen in 1.000 Einheiten aufteilen und sagen: An der Stelle möchte ich Energie sparen“, sagte er. Die größten Effekte hofft die Kupferhütte zu erzielen, indem sie die Abwärme besser nutzt. Verbesserte Gebläse und Gasverdichter im Produktionsprozess sollen ebenfalls mehrere Tausend Tonnen Kohlendioxid einsparen.

Marnette wies darauf hin, dass es für sein Unternehmen immer schwieriger werde, den Energieverbrauch und den CO2-Ausstoß zu drücken. Seit 1990 habe die Affi ihren produktionsbezogenen Energieverbrauch um 63 Prozent gesenkt und den CO2-Ausstoß um fast 80 Prozent verringert. Am Standort Hamburg habe sie den Kohlendioxid-Ausstoß allein in den Jahren 2000 bis 2004 um 80.000 Tonnen gedrückt.

Um eine Tonne CO2 weniger auszustoßen, müsse die NA mit dem geplanten Maßnahmenpaket zehn Euro aufwenden. Bei der Photovoltaik betrügen die Kosten 500 Euro pro Tonne, bei der Windenergie 50 Euro, bei der Optimierung von Kohlekraftwerken fünf Euro. „Uns liegen hier andere Zahlen vor“, sagte der BUND-Mann Braasch. Würden mehr als 20 Jahre alte Kohlekraftwerke modernisiert, fielen CO2-Vermeidungskosten von 20 Euro pro Tonne an.