OFF-KINO
: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

Anlässlich des Kinostarts seines schönen neuen Films „Le Havre“ gibt es nun die Gelegenheit, den größten Teil des Werkes von Aki Kaurismäki noch einmal in einer Retrospektive zu bewundern, die in gleich drei Kinos (Eiszeit, FSK, Sputnik) gezeigt wird. Allzu viel Ernstes hat der finnische Regisseur in jüngsten Interviews ja nicht von sich gegeben, aber sein Ruf als trinkfester Exzentriker überlagerte eigentlich schon immer seine tatsächliche Bedeutung als einer der wichtigsten zeitgenössischen Filmemacher Europas. Denn Kaurismäki, ein großer Kenner der Filmgeschichte, hat seine Lektionen aus den Filmen von Bresson und Melville gelernt und versteht es wie kaum ein anderer, seine meist melodramatischen Geschichten in so präzisen Bildern zu erzählen, dass die Dialoge allenfalls eine unterstützende Funktion haben. Dabei hält der Regisseur stets den Blick auf unseren grauen Alltag und die soziale Wirklichkeit gerichtet. Davon erzählt er mit großer Lakonie, hintergründigem schwarzem Humor und einer gewissen Liebe zu märchenhaften Happyends. Bekannt wurde Kaurismäki bei uns vor allem mit den Filmen seiner sogenannten Arbeiter-Trilogie: „Schatten im Paradies“ (1986), „Ariel“ (1988) und „Das Mädchen aus der Streichholzfabrik“ (1990) erzählen von tristen Jobs, Arbeitslosigkeit, Kriminalität, generell von Menschen, die zwar auf der Verliererseite stehen, aber nie aufgeben und – mit gemischtem Erfolg – versuchen, ihr Leben irgendwie zu meistern. Diese Hartnäckigkeit zeichnet fast alle Kaurismäki-Figuren aus: Wenn der Müllmann Nikander und die Supermarktkassiererin Ilona in „Schatten im Paradies“ ihre zaghaften Beziehungsversuche starten, scheint das zunächst glatt zum Scheitern verurteilt zu sein. Gefühle sind ihnen peinlich, die Gesten misslingen, die beiden bleiben sprachlos. Doch bei Kaurismäki birgt jeder tragikomische Reinfall immer die Chance eines Neuanfangs. Das gilt auch für die Protagonisten von „Wolken ziehen vorüber“ (1995), die erst beide arbeitslos werden müssen, um schließlich mit einem Restaurant namens „Arbeit“ doch noch den verdienten Erfolg im Leben zu haben. Und auch Henri, der Franzose in England, dessen Job der Privatisierung der Wasserwerke zum Opfer fällt, erhält in „I Hired a Contract Killer“ (1990) eine zweite Chance, nachdem er den titelgebenden Mörder angeheuert hat, um seinem Leben ein Ende zu setzen. Denn er verliebt sich – und der Killer ist letztlich noch viel deprimierter und enttäuschter vom Leben als Henri. Schön sind auch Kaurismäkis Roadmovies wie „Tatjana“ (1994): eine Fahrt zweier Männer mit zwei Anhalterinnen durch Finnland in Richtung Estland, ein extrem schweigsamer Trip von Bar zu Bar – und doch auch das lakonische Porträt einer aufkeimenden Liebe. Denn, so Kaurismäki: „Das Leben ist hart, aber heiter.“ („Schatten im Paradies“, OmU, 15. 9., Sputnik 2, 16. 9., FSK 2; „Ariel“, OmU, 20. 9., Sputnik 1; „Das Mädchen aus der Streichholzfabrik“, 16. 9., Eiszeit 2, OmU, 18.9., Sputnik 3, 21. 9., FSK 2; „Wolken ziehen vorüber“, OmU, 18. 9., Eiszeit 2; „Tatjana“, OmU, 17. 9., Sputnik 2) LARS PENNING