„Das ist ganz klar Aufgabe des Staates“

Margot Käßmann, die Bischöfin der Landeskirche Hannovers, macht sich für Chancengleichheit stark und fordert kostenlose Kita-Plätze für arme Familien. Die kirchlichen Kitas sieht sie an diesem Punkt aber nicht in der Pflicht

MARGOT KÄSSMANN, 49, ist Bischöfin der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannovers und Mutter von vier Töchtern.

taz: Frau Käßmann, Sie haben gefordert, dass Kinder aus armen Familien kostenlose Kita-Plätze bekommen. Warum ist Ihnen das wichtig?

Margot Käßmann: Mir ist das wichtig, weil schon bei der Einschulung deutlich wird, dass Kinder mit unterschiedlichen Startchancen ihre Schulkarriere beginnen. Für Deutschland ist es ja nachgewiesen, dass soziale Herkunft und Bildungsabschluss zusammenhängen. Deswegen müssen wir frühzeitig Chancengleichheit schaffen. In der Kita gibt es viele geistige Anregungen, die manche Kinder zuhause nicht bekommen.

Sollen die anderen Eltern dann mehr bezahlen?

Ich denke, dass Eltern, die gut verdienen, für ihre Kinderbetreuung anders bezahlen können. Da sollte es deutliche Staffelungen geben, in Deutschland muss sich da noch einiges entwickeln. Auch am anderen Ende der Bildungsleiter, bei den Stipendien für Studierende, sind wir noch ganz am Anfang. Um ein System zu finden, damit Beteiligungsgerechtigkeit und Bildungsgerechtigkeit entsteht, ist Kreativität gefragt.

Nun hat die Landeskirche Hannovers selber ja 600 Kindergärten.

Jedenfalls tragen die beiden großen Kirchen 72 Prozent aller Kindertagsstätten in freier Trägerschaft. Unsere Landessynode hat im Sommer beschlossen, die Krippenbetreuung mehr als zu verdoppeln. Wir haben 750 neue Krippenplätze geschaffen, weil wir sehen, die Betreuung der unter Dreijährigen ist wichtig.

Könnten Sie da nicht mit gutem Beispiel vorangehen und bei armen Familien auf Beiträge verzichten?

Bildungsfinanzierung ist ganz klar Aufgabe des Staates. Wir als Kirche legen für diese zusätzlichen 750 Krippenplätze deutlich drauf, so um die zwei Millionen. Das ist für unsere Kirche eine erhebliche Investition. Die Grundausstattung muss aber der Staat leisten.

Aber bei Ihnen sind doch auch Eltern, die Beiträge bezahlen, die könnten sie dann doch auch stärker staffeln. Oder wenigstens kostenlose Mahlzeiten verteilen, das fordern Sie doch auch.

Also da kann ich Ihnen sagen, dass es in unseren Kindertagesstätten Initiativen gibt, dass alle Kinder warme Mahlzeiten bekommen. Aber das sind dann immer Lösungen, bei denen sich Menschen vor Ort engagieren.

INTERVIEW: DANIEL WIESE