AUF ZUR GALOPPBAHN!
: Harte Arbeit und Beschiss

Kulturbeutel

ANDREAS RÜTTENAUER

Acatenango lebt weiter. In Animal Kingdom zum Beispiel. Der Fuchshengst ist der Enkel des vielleicht berühmtesten deutschen Galopprennpferds. Das wurde in den 1980er Jahren drei Mal hintereinander von den Zuschauern der Sportschau zum Galopper des Jahres gewählt. Wer damals am Wochenende regelmäßig den Fernseher eingeschaltet hat, wird diesen Namen wohl nie vergessen: Acatenango. Der eine oder die andere wird sich vielleicht auch noch an das Gestüt erinnern, in welchem der Hengst seine Box hatte. Richtig: Fährhof. Von seinem Enkel Animal Kingdom werden die wenigsten Sportfans in Deutschland schon einmal etwas gehört haben, obwohl der 2013 den Dubai World Cup gewonnen hat, das mit etwa 10 Millionen US-Dollar höchstdotierte Pferderennen der Welt für Vollblüter ab drei Jahren, wie Wikipedia weiß. Gut, dass es das Onlinelexikon gibt.

Dass Galopprennsport in Deutschland überhaupt noch existiert, dürften viele erst mitbekommen haben, als der Deutsche Fußballbund die Pläne für sein neues Leistungszentrum in Frankfurt am Main vorgestellt hat. Dem Kompetenzzentrum der Weltmeisterverbands soll eine Galopprennbahn weichen, auf der tatsächlich noch Rennen stattfinden. Fünf Renntage soll es in diesem Jahr geben. Dann soll die Anlage geschleift werden. Der bedrohte Rennverein hat über 16.000 Unterschriften gesammelt und will per Bürgerbegehren den Fußballbau noch stoppen.

16.000 Unterschriften für den Galoppsport? Das erinnert an die goldenen Zeiten des Turf, als Sportschauikone Adi Furler die Zuschauerpreise der Wahl zum Galopper des Jahres aus riesigen Postkartenbergen gezogen hat. „Eine Reise zum Prix de l’Arc de Triomphe nach Paris für zwei Personen gewinnt …“ Lebt der deutsche Galopprennsport also doch noch?

Putzmunter scheint jedenfalls Turf in England zu sein. Das muss jedenfalls denken, wer Felix Francis’ Grasbahnkrimi „Schwesterherz“ (Diogenes, Zürich 2014) liest. Da versucht ein vielbeschäftigter Rennreporter, als Tribünensprecher auf den Bahnen sowie als Berichterstatter für zwei Turfkanäle im Fernsehen den rätselhaften Tod seiner Zwillingsschwester aufzuklären. Jeden Tag arbeitet er an einer anderen Rennbahn, jeden Tag spricht er mit Trainern, Jockeys und Fachkollegen. Er berichtet von Hindernisrennen und Wettbewerben auf der flachen Grasbahn und versucht herauszubekommen, warum seine als Profi reitende Zwillingsschwester am Tag, als sie aus dem Fenster des Londoner Hilton-Hotels in den Tod stürzte, ihr Pferd auf den letzten Metern zurückgehalten hat. Der Trainer ihres Rosses, ihr Geliebter, hatte gegen sein Pferd gewettet. Training, Fotofinish, Manipulation. Es geht um erste Plätze und harte Arbeit und Beschiss – um Sport eben. Felix Francis schreibt so selbstverständlich darüber, dass selbst der größte Pferdesportbanause im Galopp durch die Geschichte reiten kann.

Geht es wirklich so mies zu im Galopprennsport? Dass ein Jockey gesperrt wird, kommt in der Tat gar nicht so selten vor. Kurz vorm Jahreswechsel wurde etwa die 17-jährige Esther-Ruth Weißmeier für drei Monate aus dem Verkehr gezogen, weil sie bei ihrem Sieg den Wallach Leoderprofi allzu heftig mit der Peitsche bearbeitet hatte. Drei Jahre vom Rennzirkus ausgeschlossen wurde der irische Trainer Philip Fenton. Bei ihm hatte man größere Mengen Anabolika sichergestellt. Und ganz groß in der Szene diskutiert wird die Sperre, die gegen die neuseeländische Reiterin Louisa Cropp ausgesprochen wurde, die gedopt haben soll. Das alles klingt wirklich so, als wäre Turf ein ganz normaler Sport. Wann ist der nächste Renntag? Nichts wie hin!