Feuer und Flamme für Wasser

Heute Abend präsentiert die taz den Auftritt der „Ton Steine Scherben Family“ im Rahmen der Wassertage. Die taz sprach mit Sänger und Saxophonist Nikel Pallat über politischen Anspruch gestern und heute – und über Wasser

taz: Nikel Pallat, seit 2004 kann man „Ton Steine Scherben“ wieder live als Band – als „Ton Steine Scherben Family“ – erleben. Versteht ihr euch als Fortsetzung oder als Neubeginn?

Nikel Pallat: Ich sehe es eher als eine Wiederaufnahme eines alten Fadens, der durch die Solo-Karriere von Rio unterbrochen war. „Ton Steine Scherben“ stand ja in dem Ruf, eine Band mit einem politischen Anspruch zu sein, die versuchen wollte, was zu bewegen oder Anstöße zu geben. Das sehen wir auch heute noch genauso, auch wenn die Themen andere sind als vor 35 Jahren.

Was ist heute anders als damals?

Es gibt ein paar Songs, die sehr stark aus der Zeit heraus entstanden sind, wie „Menschenjäger“ oder „Der Kampf geht weiter“. Die reflektieren, was gerade an politischen Verfolgungen im Inland passiert. Wie weit wird das, was wir als Freiheitskampf verstehen, von anderen Leuten als Terrorismus gesehen? Heute, dreißig Jahre nach Stammheim, wird das in den normalen Medien nur als Historie dargestellt. Das Gefühl, das es damals gab, und die Hysterie, die versucht man auszublenden.

Welche Themen sind immer noch wichtig?

Einige Themen sind zeitlos. Zum Beispiel alles, was Lohnarbeit und Ausbeutung angeht. Einer unserer klassischsten Songs ist ja „Sklavenhändler“. Damals hieß es: Wenn ich 7,50 DM verdiene, gebe ich dir 3,50 DM ab. Heute fragt man sich, bei der ganzen Mindestlohndiskussion, wo fangen die extrem ausbeuterischen Gehälter an? Da kannst du die Zahl 1:1 übertragen, trotz Euro. In dem Bereich ist es schlimmer geworden. In den Zeiten von Vollbeschäftigung, da war es ja eher gut, wenn man mal ein halbes Jahr arbeitslos war. Man hatte keinen Stress, man konnte mal ein paar Reisen machen. Das ist nun komplett anders. Aber es gibt auch Themen, die wir in den 70ern nicht so gesehen haben. Da kann man als Band noch ’ne Aussage machen und dazu beitragen, dass Leute zusammenkommen und Ideen austauschen.

„Ton Steine Scherben“ gilt für viele bis heute als die politische Rockband. Wie siehst du das?

„Ton Steine Scherben“ steht sicherlich auf eine bestimmte Art und Weise gesondert da. Die Radikalität, mit der in den Texten und in der Musik reflektiert und polarisiert wurde, das war schon einmalig. Es gibt sicher viele Leute, die von ihrem persönlichen Bewusstsein keinen Millimeter von uns entfernt sind, die sich aber in anderen Formen ausdrücken wollen oder müssen. Es gibt zum Beispiel tolle Hip-Hop-Songs. Gerade frühe Sachen von Jan Delay. An klarer Aussage lässt das überhaupt nichts vermissen.

Wenn ihr heute spielt, dann bei den Anti-G 8-Protesten oder für „Viva con Agua“. Wie sucht ihr das aus?

Wir kriegen ständig Anrufe von irgendwelchen Jugendzentren, von Initiativen hier und da. Manchmal ist es möglich zu spielen, manchmal nicht. Weil wir so viele sind, das setzt viel Arbeit und Zeit voraus. Im Fall von „Viva con Agua“ ist es aber eine größere Organisation, bei der wir das Gefühl haben, im Rahmen ihres Festivals gut integriert zu sein. Wir haben Möglichkeiten, günstig unterzukommen und die Zeit zum Proben. Und Wasser, das ist ein Thema, mit dem sich vor allem unser Flötist seit Jahren beschäftigt. Der ist viel durch die Dritte Welt gereist und hat das ganze Problem hautnah erlebt. Der war gleich Feuer und Flamme: „Das schafft hier Öffentlichkeit für diese Sachen und da sollten wir uns auf jeden Fall engagieren.“ Und wir fanden die Leute toll, weil die völlig pragmatisch rangehen und sagen: „Was hier reinkommt, davon werden Brunnen gebaut.“ Da wird kein „Wasserkopf“ von bezahlt. Wir verschwenden hier Wasser, während es woanders höchste Wassernot gibt und die Leute zusätzlich dadurch bedroht sind, dass das Wasser auch noch privatisiert werden soll. Dass du für dein Lebenselixier richtig Geld bezahlen musst, und das in Gebieten, wo sowieso niemand Geld verdient, das stellt alles auf den Kopf. Wenn als Botschaft also rüberkommt, dass man versuchen sollte, gegenzuhalten, dann wäre das schon eine tolle Sache.INTERVIEW: ROBERT MATTHIES

Ton Steine Scherben Family mit Gästen (Corny Littmann, Jan Plewka und Sven Panne): Do, 30. 8., 21 Uhr, Uebel & Gefährlich, Feldstraße 66