Freundle

Peter Friedrich (SPD), neuer Vertreter Baden-Württembergs im Bundesrat, fördert den Möchtegern-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück. Das kommt nicht überall in der Partei gut an

von Hans Peter Schütz

Wo darf man rein und reden, selbst wenn einem soeben vom Bundesfinanzminister Schäuble im Bundestag bescheinigt worden ist, es fehle einem noch an guten Manieren? In die Berliner Landesvertretung Baden-Württembergs. Wo darf ein Peer Steinbrück reden, der sich in den vergangenen zwei Jahren im Bundestag nur ein einziges Mal zu Wort gemeldet hat? Klar doch, in der Berliner Landesvertretung Baden-Württembergs.

„A guats Freundle braucht mer halt“, das weiß man im Schwabenland, und die Weisheit gilt auch im politischen Berlin. Im Fall von Peer Steinbrück heißt das Feundle Peter Friedrich, ist im grün-roten Kabinett Kretschmann Landesminister für Bundesrat und Europa, amtiert auch als Generalsekretär der südwestdeutschen SPD, saß für den Wahlkreis Konstanz bis vor Kurzem im Bundestag, wo er Sprecher des Kreises der jungen SPD-Abgeordneten war, und ist ein dicker Spezl des SPD-Landesvorsitzenden Nils Schmid.

Wer solch einflussreiche Freunde hat, darf eben, was andere nicht dürfen. Etwa in der Landesvertretung ein „Impulsreferat“ geben. Etwa aus Anlass einer Veranstaltung, die sich seit Jahren „politisches Rentrée“ nennt und in der Vergangenheit vor allem dazu diente, Berliner Politiker und Journalisten am Ende der Sommerpause körperlich für den politischen Herbst aufzurüsten mit reichlich Gratis-Spätzle und noch mehr Umsonst-Trollinger. Aber noch nie hat es bisher beim Berliner Rentrée-Abend ein „Impulsreferat“ gegeben.

An sich steckt in dem Wort der Sinn verborgen, dass jemand spontan das Wort ergreift und über ein brennendes Thema spricht. Nicht so an diesem Abend. Etliche Wochen früher war in der Einladung angekündigt worden, dass der SPD-Politiker Peer Steinbrück diesen Impuls verspüren werde. Und noch nie zuvor ist für einen baden-württembergischen „Impuls“ jemals so intensiv bei den Berliner Journalisten um einen Besuch gebeten worden.

Aber mit „Impuls“ war absolut nichts. Was stattfand, war eine offensive Werbeveranstaltung für den potenziellen SPD-Kanzlerkandidaten im Jahr 2013, Peer Steinbrück. Landesminister Friedrich hätte auch ein Werbeschreiben verschicken können mit dem Text: Kommt alle, kommt unbedingt, denn wir präsentieren euch den Mann, mit dem die SPD nach meiner Meinung unbedingt in den Bundestagswahlkampf 2013 ziehen sollte.

Statt einer historischen Stunde halt Spätzle wie immer

Und es kamen auch alle Journalisten. Von der FAZ bis zur taz, vom Stern und vom Spiegel. Es war ein Auftrieb, als wenn einige Medien befürchteten, Steinbrück könnte sagen: „Ich trete als SPD-Kanzlerkandidat an“, und sie wären in dieser historischen Stunde nicht vor Ort gewesen.

Doch dergleichen gab es nicht einmal in Nebensätzen zu hören. Steinbrück spottete lediglich, er wisse genau, dass all die Journalisten nur gekommen seien, um zu hören, „welche Worte aus meinem Mund purzeln, und zu decodieren, was sie denn bedeuteten“. Aber er machte niemand Hoffnung auf dergleichen. Er werde auch „körpersprachlich“ nichts bieten, was sich für oder gegen die Kanzlerkandidatur verwenden lasse.

So war's denn auch. Kein SPD-Knüller, kein SPD-Kanzlerkandidat. Aber Spätzle wie immer.

Thomas Strobl, der neue CDU-Chef im Lande, und die kaltgestellte FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger, die herbeigeeilt waren, erfuhren nichts Neues und können daher weder der Kanzlerin Merkel noch dem FDP-Chef Rösler neue Erkenntnisse darüber liefern, ob der Mann, der neuerdings so populär oder sogar besser in den Umfragen daherkommt als Angela Merkel, nun im Machtkampf gegen Schwarz-Gelb antritt oder nicht.

Weshalb also hat Peter Friedrich diesen Peer Steinbrück so spektakulär eingeladen? Ganz einfach: Weil es seit Langem ein Herzenswunsch des Landesministers ist, dass dieser Steinbrück 2013 die Macht für die SPD im Bund zurückerobert. Und weil dies ebenso ein roter Herzenswunsch des SPD-Landesvorsitzenden Nils Schmid ist. Friedrich wie Schmid sind seit Langem überzeugte „Netzwerker“, wie ihre Gruppe in der SPD genannt wird. Diese Netzwerker machen den SPD-Kreisen „Die Linke“ und „Die Seeheimer“ schon länger Konkurrenz, indem sie massiv Werbung betreiben für Steinbrück und Stimmung machen gegen einen Kanzlerkandidaten Steinmeier oder gar Sigmar Gabriel.

Zum Netzwerk gehören rund 40 jüngere SPD-Abgeordnete im Bundestag. Gegründet wurde es nach der Bundestagswahl 1998 von jüngeren SPD-Abgeordneten, ihr lange Zeit führender Kopf war der SPD-Generalsekretär Hubertus Heil. Jetzt hoffen sie, mit einem Kanzlerkandidaten Steinbrück die Bundestagswahl gewinnen und sich selbst gute Posten in der dann rot dominierten Bundesregierung sichern zu können. Was sie politisch wollen, hat einmal die frühere, kläglich gescheiterte baden-württembergische Landesvorsitzende Ute Vogt gesagt: „Wir wollten wegkommen von einem Staat, der die Bürger rundum versorgen will.“ Das ist genau die Linie, die auch Steinbrück gerne vertritt.

Friedrich fördert Steinbrück, wo immer er kann. So durfte der auf seine Einladung hin auch schon einmal beim „Sichelhenke“ genannten Volksfest in Singen-Bohlingen auftreten, wo sich 1.200 Zuhörer zum Auftakt des Wahlkampfs 2009 drängelten. Und Steinbrück wusste, was von ihm erwartet wurde: Er versprach den Singenern, dass das Hauptzollamt in der Stadt bleiben werde. Riesenbeifall. Die Kooperation von damals wird jetzt auch von Nils Schmid eifrig unterstützt. Er sagt: „Wenn Steinbrück Kanzlerkandidat würde, wäre das eine gute Lösung für die SPD.“

Mit Steinbrück, so hoffen Friedrich und Schmid, lasse sich Baden-Württemberg zum Musterland für gute Arbeit machen. Dem soll auch ein gemeinsam mit den Gewerkschaften ausgearbeitetes Positionspapier dienen, das vor allem einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn fordert und prekäre Beschäftigung auch in Baden-Württemberg zurückdrängen soll.

Aber natürlich wäre die SPD nicht die SPD, wenn sich ihre Politik-Macher wenigstens in dieser Frage einig wären. Die bekannte Ulmer linke SPD-Abgeordnete Hilde Mattheis schimpft massiv über die Steinbrück-Promotion von Friedrich und Schmid. „Selbstausrufungen haben in der SPD keinen Platz“, hat sie schon gelästert. Ihr Argument gegen Steinbrück: Der sei wesentlich beteiligt gewesen an den arbeitnehmerfeindlichen Aktionen des Kanzlers Schröder bei der Umsetzung der Agenda 2010 und der damit verbundenen Ausrufung der Rente mit 67. Sie befürchtet, eine „Glaubwürdigkeitslücke“ zwischen dem Kurs der Partei und einem Kanzlerkandidaten Steinbrück. Das dürfe es auf keinen Fall geben.

Das scheint auch Steinbrück selbst zu beachten. Er sagte in der Landesvertretung gleich zu Beginn, er werde sich nicht zu einem „rasanten, fulminanten Lanzenangriff“ hinreißen lassen. Er geht jetzt erst einmal mit Altkanzler Helmut Schmidt auf Buchwerbetour durch die Republik und macht Reklame für das Werk, das er zusammen mit Schmidt verfasst hat. Danach kann er ja immer noch Kanzlerkandidat werden und als solcher auf dem nächsten Rentrée im Jahr 2012 sprechen.