Zurück aus der Zukunft

GRÜNE Sie wollten sich den Fragen von übermorgen stellen und einen Sechs-Punkte-Plan zur Agrarwende beschließen. Doch die Aktualität des Anschlags in Paris holte die Partei bei ihrer Neujahrsklausur in Weimar ein

Göring-Eckardt fordert als Antwort auf Pegida ein modernes Einwanderungsgesetz

AUS WEIMAR ASTRID GEISSLER

Es war als inspirierender Kurztrip heraus aus dem Berliner Politalltag gedacht. Zur „Neujahrsklausur“ luden die Fraktionsstrategen der Grünen ihre 63 Bundestagsabgeordneten nebst Partei-VIPs in eine „Zukunftswerkstatt“ nach Weimar.

Doch nun steht Grünen-Chef Cem Özdemir vor Monitoren mit futuristischen Bildern von Gehirnsynapsen und redet über den Islam, über Pressefreiheit und Toleranz. „Wir dürfen nicht die Spielregeln der Terroristen übernehmen“, sagt er in eine Kamera. Drinnen im Saal lässt ein Mobilitätsforscher die Abgeordneten sanft „In die Zukunft gleiten“ – so jedenfalls verspricht es die Tagesordnung. Draußen wartet die düstere Gegenwart. Nach dem Referat versammeln sich alle zur Schweigeminute, halten „Je suis Charlie“-Schilder hoch.

„Im Jahr 2015 sollten wir Weltmeister der Menschlichkeit werden“, heißt es in einem Entwurf der Weimarer Erklärung, die die Fraktion am heutigen Freitag beschließen will. Deutschland müsse die Weichen stellen, um sich als „modernes Einwanderungsland“ aufzustellen. Die Grünen-Fraktion wolle eine „Werkstatt für eine lebenswerte Welt von morgen“ sein. Sätze, die aus der Zeit gefallen wirken in dieser schwarzen Woche.

Die Grünen haben ein nervenzehrendes Jahr hinter sich. Flügelstreitereien prägten über Monate das Bild. Doch die internen Kontroversen sind vertagt. Ein paar kritische Einwürfe zur jüngsten Debatte um Rot-Rot-Grün, dann war der Diskussionsbedarf in der allgemeinen Aussprache gedeckt. Weder über ungeklärte Richtungsfragen in der Steuerpolitik noch über unterschiedliche Positionen in der Asylpolitik wurde diskutiert – über Personalien gleich gar nicht. Im Herbst stehen Neuwahlen von Partei- und Fraktionsspitzen an. Doch bei der Klausur in Weimar gab es keine Signale, die auf eine personelle Neuaufstellung hindeuten.

Immerhin so viel: Nach der Energiewende will die Fraktion das Kernthema Agrarpolitik in den kommenden Monaten zum Schwerpunkt ihrer Arbeit machen. Am heutigen Freitag soll dazu in Weimar ein Sechs-Punkte-Plan beschlossen werden. In einem Entwurf des Papiers, der der taz vorliegt, fordert die Fraktion unter anderem einen Stopp der Massentierhaltung – dazu sollen das Bau- und das Düngegesetz verschärft werden. Außerdem müsse die Bundesregierung den „ausufernden Antibiotika-Einsatz“ stoppen, sogenannte Reserveantibiotika sollten „aus den Ställen verbannt“ und Mengenrabatte beim Antibiotikahandel abgeschafft werden.

Am Donnerstagnachmittag widmet sich die Fraktion dann offiziell jener Frage, die über allem liegt: Wie gehen die Grünen in Zeiten des Terrors mit der Islamfeindlichkeit um? Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt will AfD und Pegida eine „positive Erzählung“ entgegensetzen. Die „richtige Botschaft“ der Bundesregierung wäre jetzt ein modernes Einwanderungsgesetz.