Jukebox

Schneewalzer: Origineller Eklektizismus

In Wasilla, einer Stadt mit rund 8.000 Einwohnern, inmitten der 1,7 Millionen Quadratkilometer Einsamkeit Alaskas aufzuwachsen, kann schon eine echte Strafe sein. Die Bandmitglieder von „Portugal. The Man“ sind den Ort zwar schon vor einiger Zeit geflohen, ein bisschen rurale Ödnis würde man dennoch erwarten, aus ihrer Musik herauszuhören. Aber: Nichts da! Melancholie: ja, auch, aber die ganz zeitgemäße Crossovermelange quer durch die Rockgeschichte kommt doch recht großstädtisch daher. Nur ein Jahr nach ihrem Debüt werfen sie gerade ihr zweites Album „Church Mouth“ auf den Markt, das vor solidem Retrosound nur so strotzt; womit wir auch schon beim Problem wären, denn die Euphorie, mit der „Waiter: ‚You Vultures!‘“ 2006 aufgenommen wurde, will sich für den Nachfolger nicht so recht einstellen; solide halt. Wo sind sie hin, die angenehm bizarren Studioexperimente, die so wunderbar mit der markant hoch modulierten Stimme John Gourleys korrespondierten? Schon der mitreißende Beat des ersten Tracks „How The Leopard Got It’s Spots“, der gleichzeitig die unterkühlte Distanz gelangweilter Elektrofrickler präsentierte, bleibt unerreicht. Außerdem ist „Waiter“ geradezu verliebt in den Dreivierteltakt: „Stables & Chairs“ und der Titeltrack könnten einen beinahe noch mal in die Tanzschule treiben. Ohnehin sollte jedes gute Album wenigstens einen schwungvollen Walzer vorweisen. „Chicago“ spielt eiskalt mit Industrialelementen und lieblichem Gesäusel auf dem Piano. Immer wieder diese White-Stripes-Momente, Mars Volta sowieso, und nicht zuletzt das an „Revolution No.9“ erinnernde Wirrwarr im finalen „Guns. Guns … Guns“ – der unbekümmerte Eklektizismus des Debüts, die Tatsache, dass sich die Band dem „klingen wie xy“ entziehen kann, ist definitiv seine Stärke. Ein Klassiker ist „Waiter: ‚You Vultures!‘“ noch nicht, seinen Nachfolger wird es aber auf jeden Fall überleben. Daniél Kretschmar