Sturm auf Gaddafis letzte Städte

LIBYEN Rebellen beginnen Offensive gegen Sirte und Bani Walid. Erdogan betet in Tripolis, UN-Sicherheitsrat verhandelt Resolution

VON ANDREAS ZUMACH

GENF/NEW YORK taz/afp/dapd | Die libyschen Rebellen haben am Freitag mit Sirte die Geburtsstadt des einstigen Machthabers Muammar al-Gaddafi und mit Bani Walid eine weitere verbleibende Hochburg seiner Anhänger angegriffen. In der Küstenstadt Sirte stießen sie dabei auf Scharfschützen und Artilleriefeuer. Über der Stadt, welche die Rebellen nach eigenen Angaben bereits zur Hälfte einnahmen, stieg Rauch auf. Auch wollen sie bereits nach Bani Walid eingedrungen sein. Ein Sprecher des Nationalen Übergangsrats verkündete vollmundig, dort werde die Situation bis zum Abend „geregelt“ sein. Die Gaddafi-loyalen Soldaten in beiden Städten sind jedoch besser ausgebildet und ausgerüstet als die Rebellen.

Derweil hat der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan bei einem Besuch in Tripolis zusammen mit Mitgliedern des Übergangsrats auf dem Märtyrerplatz im Zentrum der Freitagspredigt eines Imams gelauscht und gebetet. Noch am Freitag hat der UN-Sicherheitsrat Beratungen über einen britischen Resolutionsentwurf zur Aufhebung der Wirtschaftssanktionen und des Waffenembargos gegen Libyen aufgenommen. Der Entwurf sieht die Entsendung einer UN-Beratermission zur Unterstützung der künftigen Regierung in Tripolis vor. Trotz erheblicher Bedenken der nichtständigen Ratsmitglieder Indien, Brasilien und Südafrika schlossen westliche UN-Diplomaten eine Verabschiedung der Resolution noch in der Nacht zum Samstag nicht aus, da die Vetomächte Russland und China „Zustimmung signalisiert“ hätten.

Bedingungslose Freigabe von Auslandsvermögen

Die über 60 Milliarden US-Dollar libyscher Auslandsvermögen, die auf Grund zweier Sanktionsbeschlüsse eingefroren wurden, sollen laut Entwurf schrittweise freigegeben und der neuen „libyschen Führung“ übergeben werden. Dies wird nicht abhängig gemacht von Wahlen oder der Erfüllung politischer Bedingungen wie etwa dem Verzicht auf die Todesstrafe in künftigen Prozessen gegen Mitglieder des gestürzten Gaddafi-Regimes. Auch die Restriktionen für libysche Ölfirmen, die Zentralbank und Geldinstitute sollen rückgängig gemacht werden.

Das Waffenembargo soll zunächst nur so weit gelockert werden, dass der Nationale Übergangsrat „die zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit benötigten Waffen einführen“ kann. Die Lieferung bestimmter schwerer Waffensysteme an Libyen bleibt noch verboten.

Die auf bis zu 200 Beratern geplante UNO-Mission soll die neue Führung in Tripolis beim Aufbau eines Rechtssystems, bei einem Verfassungsentwurf sowie Wahlvorbereitungen unterstützen und ist zunächst auf drei Monate begrenzt. Spätestens Mitte Dezember soll auch das vom Sicherheitsrat am 18. März erteilte Mandat für den Einsatz militärischer Mittel „zum Schutz der Zivilbevölkerung“ auslaufen und damit die Rolle der Nato beendet werden. Entsprechend soll die Flugverbotszone über Libyen in den nächsten drei Monaten nur für Flugzeuge aufgehoben werden, „deren Ziel und Beladung bekannt ist“. Südafrika, Indien und Brasilien fordern die vollständige Aufhebung der Flugverbotszone.