„Tretminen entschärfen“

NACHFOLGE Jedes dritte Familienunternehmen scheitert bei der Übergabe vom Gründer an die nächste Generation. Bei einer Mediation können die eigentlichen Konflikte angegangen werden

■ 50, Mediator BM, Organisationsberater und Coach in Lüneburg. Verheiratet und Vater zweier Söhne. www.tilmanmetzger.de

INTERVIEW FRIEDERIKE GRÄFF

taz: Was sind typische Konflikte bei Geschäftsübergaben, Herr Metzger?

Tilman Metzger: Der Seniorchef verkauft seine Vergangenheit, seine Investitionen, sein Herzblut; oft muss er vom Verkauf seine Alterssicherung bestreiten. Die Nachfolger wiederum müssen den Kaufpreis stemmen und häufig auch neu investieren. Das ist ein ganz natürlicher Interessengegensatz, der nichts mit schlechtem Willen zu tun hat.

Wann wird es problematisch?

50 Prozent der Seniorunternehmer denken zu spät an die Übergabe. Es gibt eine Empfehlung des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, dass man mit 55 Jahren anfangen sollte, darüber nachzudenken. Das ist natürlich nicht leicht, aber die Suche nach geeigneten Nachfolgern ist gerade bei kleinen und mittelständischen Unternehmen oft schwierig. Dazu kommt, dass sich die Seniorchefs oft mit ihrer Lebensleistung nicht genug gesehen und gewürdigt fühlen.

Woran liegt das?

Die Nachfolger wollen neue Akzente setzen: Mitarbeiter umgruppieren, neue Strategien einsetzen. Da wird dann aus Sicht des Seniors mit seinem Lebenswerk herumgespielt und möglicherweise seine Altersversorgung gefährdet. Denn die wird oft nicht auf einmal, sondern Stück für Stück ausgezahlt. Zugleich wird von der Industrie- und Handelskammer empfohlen, dass die Seniorchefs als Berater eine Weile präsent bleiben. Das ist sachlich nützlich, lädt auf der Beziehungsebene aber zu Verhakelungen ein.

Was kann Mediation da leisten?

Das Wünschenswerte wäre, dass die beiden Parteien sich zusammensetzen und genügend Zeit haben, einen Plan zu entwickeln. Mediatoren kommen dann ins Spiel, wenn beide Seiten merken, dass sie den anderen im Gespräch nicht mehr erreichen. Am Anfang ist es eine Art Hilflosigkeit, sich nicht verständlich machen zu können, später, wenn es eskaliert, wird daraus das Gefühl, der andere sei unfähig. Die nächste Stufe ist es dann, dem anderen Bösartigkeit zu unterstellen.

Wo setzt die Mediation praktisch an?

Ein erster wichtiger Schritt ist die Frage: Wer muss eigentlich an den Mediations-Tisch? Das ist vor allem eine Frage, wenn es ein Familienunternehmen ist und eine familiäre Nachfolge gewollt. Oft sind nämlich auch Ehepartner, Geschwister oder Enkel mit ihren Interessen präsent. Und ganz wichtig ist: Eine Mediation hat nur dann Sinn, wenn beide Seiten ein Interesse an einer Aussprache auch auf der Beziehungsebene haben. Es reicht nicht, über Zahlen und Ideen zu reden.

Wie erreicht man das?

Wir sind erst einmal Lösungsverhinderer. Wir wollen den Leuten helfen, dass sie nicht zu früh über Zahlen und Fakten reden. Denn alles, was sie in dem Bereich vereinbaren, während die Beziehung noch ungeklärt ist und untergründig noch Frustration und Misstrauen da ist, bröselt leicht wieder auseinander.

Wie kommt man da ins Gespräch?

Nachdem man sich eine Übersicht verschafft hat, wie es überhaupt zu dem Konflikt gekommen ist, geht es darum, was der schwerste Vorwurf ist: Dass etwa das Gefühl, nicht gesehen und nicht wertgeschätzt zu werden, hochkommen darf. Ich nenne das die Tretminen: man möchte nicht wirklich hinschauen, aber wenn man sie nicht kontrolliert entschärft, tritt man da später drauf.

Tun sich die Leute schwer, auf diese Gefühlsebene zu kommen?

Es gibt die robusten Gefühle, Zorn, Ärger, Wut, die man noch relativ leicht zeigt. Dahinter kommen weichere Gefühle wie Hilflosigkeit und Schmerz – wenn es gelingt, sich darüber auszutauschen, wird der Andere, der vielleicht schon fast zum Dämon geworden ist, wieder zum Menschen. Dann kann man auch wieder an sachlichen Lösungen arbeiten.