„Das ist ein Abstiegsplatz“

Die Bremer Volkshochschule ist ins ehemalige Kaufhaus Bamberger in der City umgezogen. Der neue Direktor Udo Witthaus wirbt für einen Mentalitätswechsel und erklärt, warum nicht nur der Staat mehr Geld für Weiterbildung ausgeben sollte

UDO WITTHAUS, 49, ist promovierter Erziehungswissenschaftler. Er war bis 2002 an der Universität Bielefeld mit den Arbeitsschwerpunkten Bildungsökonomie und Weiterbildung tätig, zuletzt hatte er vertretungsweise eine Professur inne. Bis April 2007 war er Direktor der VHS Minden, seitdem ist er in Bremen in der gleichen Position tätig.

INTERVIEW: FELIX ZIMMERMANN

taz: Herr Witthaus, Bundesbildungsministerin Annette Schavan will beim Thema Weiterbildung einen Mentalitätswechsel herbeiführen, Bildungsexperten fordern mehr Geld für die Weiterbildung. Wo ist das Problem?

Udo Witthaus: Die Weiterbildung in Deutschland ist chronisch unterfinanziert, da muss sich dringend etwas ändern. Zwischen 2001 und 2003 ist die Förderung durch die öffentliche Hand um 21 Prozent zurückgegangen, da liegen wir jetzt unter dem Niveau von 1995. Das ist dramatisch, denn schon damals war Weiterbildung in Deutschland unterfinanziert. Im Vergleich mit EU-Ländern belegt Deutschland einen Abstiegsplatz. Es ist aber nicht nur der Staat, der zu wenig Geld ausgibt.

Sondern?

Die Betriebe müssen mehr in die Weiterbildung investieren, aber das gilt genauso für jeden einzelnen Menschen. Dass da insgesamt zu wenig gemacht wurde, sehen wir zurzeit: Die Betriebe klagen über den immensen Fachkräftemangel, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können die Lücken nicht schließen, auch weil zu wenige von ihnen an Weiterbildungskursen teilgenommen haben. Auch da liegt Deutschland weit hinter anderen Ländern zurück.

Für viele Menschen scheitert die Teilnahme an Weiterbildungskursen ganz einfach an den Kosten.

Das ist richtig, und da ist der Staat dann gefordert. Zurzeit wirbt die Bildungsministerin deshalb für die so genannte Weiterbildungsprämie. Das heißt, dass der Staat bis zu 154 Euro Zuschuss gibt, wenn der gleiche Betrag vom Beschäftigten aufgebracht wird. Wer das nicht aufbringen kann, soll ein Weiterbildungsdarlehen bekommen. Wir müssen ganz stark darauf achten, dass die Weiterbildungsschere nicht noch weiter auseinandergeht. Wir beobachten, dass die, die gut ausgebildet sind, sich weiter bilden und dafür auch genug Geld haben. Aber die, die wenig haben, nehmen kaum an Weiterbildungen teil.

Wie gehen Sie an der Bremer Volkshochschule damit um?

In diesen Tagen beginnen unsere Kurse im renovierten Bamberger-Haus in der Bremer Innenstadt. Julius Bamberger hatte es als Kaufhaus in den späten zwanziger Jahren eröffnet. Bambergers Slogan lautete: „Hohe Qualität zu erschwinglichen Preisen.“ Dem fühlen wir uns verpflichtet.

Und wie setzen Sie das um?

Wir haben umfangreiche Ermäßigungen für Menschen mit wenig Geld. Auch die reichen aber mitunter nicht aus, weshalb wir für Sozialhilfeempfänger die Restplatzbörse anbieten.

Wie funktioniert die?

Für Veranstaltungen, in denen es zwei Tage vor Beginn noch freie Plätze gibt, werden diese Plätze an Menschen vergeben, die Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld II beziehen – und zwar für 20 Prozent des vollen Gebührensatzes.

Sie sprachen von dem Fachkräftemangel, der zur Zeit wieder stark thematisiert wird. Was kann eine Volkshochschule dagegen tun?

Crashkurse helfen da natürlich nicht weiter. Wichtig wäre eine kontinuierliche Weiterbildung. Betriebe brauchen eine vorausschauende Personal- und Qualifizierungspolitik. Ich sehe die Volkshochschulen als guten Zulieferer für Qualifizierung vor allem für kleinere und mittelständische Unternehmen. Unser Angebot wird aber von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern noch zu individuell genutzt.

Das liegt ja auch nahe, wenn Kurse sich an Menschen richten, die ihre Kenntnisse und Fähigkeiten auf einem bestimmten Gebiet erwerben oder erweitern wollen.

Hat aber unbedingt seine Berechtigung. Mir schwebt für Bremen aber noch etwas ganz anderes vor: Wir könnten als Volkshochschule maßgeschneiderte Programme für Unternehmen anbieten, um die Mitarbeiter zu schulen. Dazu bedarf es aber einer viel engeren Zusammenarbeit zwischen Betrieben und Volkshochschule.

Also noch ein Mentalitätswechsel…

… der für meine Begriffe auf die gesamte Diskussion über Weiterbildung ausgedehnt werden muss. Es wäre toll, wenn darüber so diskutiert würde wie zuletzt über die Familienpolitik. Ich habe Hochachtung vor Ursula von der Leyens Themenmarketing! Weiterbildung braucht einen höheren Stellenwert und darf nicht länger nur von der Kostenseite betrachtet werden. Weiterbildung ist immer eine Investition, die sich für Betriebe, Individuen, ja die gesamte Gesellschaft lohnt.