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The day the Lady died

Die Erste Kirche der Stadt als Religion traf sich auf der Fischerinsel, um mit Ginsengschnaps und Weihrauch ein Ritual zum 10. Todestag von Dodi + Di abzuhalten

Satan behauptet, Diana habe einst einen Preis für die hervorragende Pflege eines Meerschweinchens verliehen bekommen

Auf der Fischerinsel wird Dianas gedacht. Die Erste Kirche der Stadt als Religion in Form eines Mannes mit schwarzer Hasskappe und einem Anstecker, auf dem „Hello! My name is … SATAN“ steht, zwei schwarz gekleidete Frauen – die Hohepriesterin und die Jungfrau – sowie ein Ritter, mehrere WeihrauchträgerInnen und SchwanenträgerInnen beginnen das „Erinnerungsritual“ zum 10. Todestag der Queen of Hearts an der Nordostecke der Grünstraßenbrücke.

Ich habe mich als Weihrauchträgerin gemeldet, weil die schwarzen Schwanattrappen mit den zwecks späteren Ins-Wasser-Lassens unten angeklebten Plastikflaschen zu unhandlich aussahen, ärgere mich jetzt aber, weil die dicken, qualmenden Weihrauchräucherstäbchen stinken wie eine Parfümerie der Hölle. An der ersten Station hält Satan einen kleinen Diana-Vortrag, wir lassen eine Schnapsflasche mit einer ungefähr 30 cm hohen und Karl-Malden-Nasen-dicken Ginsengwurzel drin kreisen, dann ziehen wir – kältebedingt recht rasch – zu Beerdigungsmusik weiter zur nächsten Station.

Hier läuft satanistischer Rock ’n’ Roll, der Meister hält seinen zweiten Vortrag, in dem wir uns chronologisch weitertasten – Dianas Kindheit und Jugend. Satan behauptet, sie habe einen Preis für die hervorragende Pflege eines Meerschweinchens verliehen bekommen, er erzählt über den Tag, an dem Dodi + Di nicht mehr lebendig aus dem Tunnel kamen, und hübschen, numerologischen Unsinn, um den mystischen Faktor zu erhöhen. Wieder kreist die Ginsengwurzel, beim Aufstoßen erinnert der Sprit an eine ranzige Nuss, aber da muss man jetzt durch.

An Station vier erklärt Satan, dass Elton Johns „Candle in the Wind“ eigentlich für Marilyn Monroe geschrieben wurde, und ich versuche mir an dem Räucherstäbchen die Hände zu wärmen. Langsam nähern wir uns in der zeitlichen Abfolge dem Unfall, momentan sind Di + Dodi jedoch noch im Hotel und „erholen sich von den Strapazen der Reise“. Der Memorial-Kreuzgang hat noch acht weitere Stationen, die schenke ich mir aber, denn es ist fast Mitternacht, und mir ist ein bisschen mummelig. Vermutlich vom Weihrauch. Oder vom Ginsengschnaps.

Ich winke Satan, einem alten Freund, der im wahren Leben Fakten über Hubschrauber sammelt und erratische Wissenschaften betreibt, kurz zu, doch die Hasskappenaugenlöcher schränken sein bebrilltes Sichtfeld ein, ich stecke die Stinkestange in einen Baustellensandhaufen und hoffe auf dem Nachhauseweg, dass wir, die Erste Kirche der Stadt als Religion nicht aus Versehen eine nette Omi von der Fischerinsel erschreckt haben, die nachts schlaflos aus dem Fenster guckt. Falls doch, entschuldige ich mich im Voraus.

JENNI ZYLKA

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