Schwache Konkurrenz hilft SPD

ANALYSE Wahlforscher sehen Piraten als Protestpartei

Die Wahlbeteiligung hat in diesem Jahr offenbar leicht über dem Negativrekord aus dem Jahr 2006 gelegen. Zwischenzeitlich hatte es nach einem neuen Minusrekord ausgesehen: Bis 16 Uhr hatten nur 46 Prozent der rund 2,47 Millionen wahlberechtigten Berliner ihre Stimme abgegeben, 2006 waren es zum gleichen Zeitpunkt 47,5 Prozent, wie Landeswahlleiterin Petra Michaelis-Merzbach mitteilte. Vor fünf Jahren hatte die Wahlbeteiligung insgesamt bei 58 Prozent gelegen, in diesem Jahr erreichte sie voraussichtlich 59 Prozent.

Nach einer Analyse der Forschungsgruppe Wahlen hat die SPD die Wahl wegen ihres hohen Ansehens in der Hauptstadt und ihres Spitzenkandidaten Klaus Wowereit gewonnen. Die Piraten verdankten ihr sensationelles Abschneiden dagegen vor allem der Unzufriedenheit der Wähler mit den etablierten Parteien. Nur jeder zehnte Piraten-Wähler machte sein Kreuz demnach aufgrund ihrer Inhalte.

Die Abgeordnetenhauswahl sei mit gewohnt starkem Lokalkolorit im Kontext städtischer Themen zu sehen, sagten die Forscher. Bei einer durchwachsenen Senatsbilanz und einer schwachen Opposition profitieren die Piraten von der Unzufriedenheit mit der etablierten Politik in Berlin insgesamt, treffen im urban-vernetzten Milieu einer jungen Großstadt aber auch auf optimale strukturelle Voraussetzungen.

Für fast 70 Prozent der Wähler war die Lokalpolitik entscheidend, für 26 Prozent der Bund wichtiger. 50 Prozent der Berliner befürworten nun einen rot-grünen Senat.

Obwohl sie laut Forschungsgruppe in keinem Ressort voll überzeugten, profitierten die Sozialdemokraten von der schwachen Konkurrenz. Während die Politik der CDU für 44 Prozent nicht zu einer Stadt wie Berlin passt, wird die FDP für 67 Prozent an der Spree nicht mehr gebraucht. Die FDP bricht in sämtlichen sozialen Gruppen dramatisch ein und verfehlt mit nur noch 3 Prozent (minus 9) sogar bei den Selbstständigen klar die 5-Prozent-Hürde.

Die Zahlen basieren auf einer telefonischen Befragung der Forschungsgruppe Wahlen unter 1.981 zufällig ausgewählten Wahlberechtigten im Land Berlin in der Woche vor der Wahl sowie auf der Befragung von 21.701 Wählern am Wahltag. (taz, dpa)