Solomonische Lösung bei Hertha

Beim 2:1-Sieg gegen Wolfsburg zeigen sich mehrere Ziele des neuen Hertha-Trainers Favre: Matchwinner Solomon Okoronkwo und seine Mitstreiter spielen engagiert und kombinieren rasch. Prompt träumt Manager Hoeneß von der Champions League

Hertha – Wolfsburg: 2:1 (1:0) Zuschauer: 42.079 Spruch des Tages: „Ich muss der Bahn, dem Hauptsponsor von Hertha, gratulieren. Statt einer Stunde haben wir drei für die Reise nach Berlin gebraucht.“ (Felix Magath, Trainer von Wolfsburg)

VON JOHANNES KOPP

Solomon Okoronkwo sprintete nach seinem Treffer den jubelnden Teamkollegen einfach davon. Er war ja noch recht frisch. Gerade erst sechs Minuten stand er auf dem Platz, als er kurz vor Spielende mit seiner Volleyabnahme vor dem Strafraum das 2:1 erzielte. Und während Okoronkwo rannte, schlug er sich stetig auf die Brust, wo das Hertha-Wappen prangte. Der 20-Jährige erklärte hinterher, er wollte damit zeigen, dass er für Hertha alles tun werde.

In seiner Euphorie klopfte er sich auch später beim Feiern vor der Hertha-Kurve auf die Brust, als er sich schon längst das Wolfsburger Trikot von Pablo Thiam übergezogen hatte. Dies war nicht nur ein Sinnbild für die begrenzte Haltbarkeit von Treueschwüren, sondern veranschaulichte zudem, wie schnell Berliner ins Wolfsburger Leibchen schlüpfen können.

In den niedersächsischen Reihen steckt ja ein gutes Stück Hertha-Geschichte. Nach Alexander Madlung und Marcelinho wechselte im Sommer auch das viel gepriesene Jungtalent Ashkan Dejagah in die Autostadt. Um das zu verhindern, hätte Hertha damals Okoronkwo sicherlich gerne an die Wolfsburger verschenkt. Bis dahin war der Nigerianer auf 18 Bundesligaspiele gekommen, ohne das Tor getroffen zu haben. Statistisch kann ein Stürmer seine Harmlosigkeit nicht besser belegen.

Doch ausgerechnet jetzt, da der neue Trainer Lucien Favre den Umbruch eingeleitet hat und 14 Profis den Verein verließen, ist Okoronkwo mit zwei Toren in vier Spielen erfolgreichster Herthaner. In der vergangenen Saison verlieh ihn der Verein für die Rückrunde noch an den Zweitligisten Rot-Weiß Essen. „Die Spielpraxis dort hat ihm gutgetan“, bilanzierte Manager Dieter Hoeneß zufrieden.

So überbordend, wie sich Okoronkwo über seine Erfolge auf dem Platz freute, so schüchtern und ernsthaft stand er hinterher vor den Reportern. Ohne eine Miene zu verziehen, sprach er leise: „Ich bin sehr glücklich. Der Trainer glaubt an mich.“

Im Juli hatte man noch den Eindruck, Favre würde niemandem der Alteingesessenen vertrauen und am liebsten sein komplettes Team gegen ein neues austauschen. Doch wie schon gegen Stuttgart fiel in der Partie gegen Wolfsburg auf, dass gerade die „Altherthaner“ sich stark verbessert zeigen. Patrick Ebert, der immer ungestüm und besessen auf der rechten Seite rauf und runter rannte, spielte gegen Wolfsburg mit Tempo und viel Übersicht. Sofian Chahed, der früher auf der rechten Abwehrseite eine der größten Schwachstellen der Berliner war, stand hinten nicht nur recht sicher, sondern er bereitete mit einem gut getimten weiten Pass nach vorne gar das 1:0 vor. Marko Pantelic brauchte bloß noch in die Flugkurve des Balles hineinzuhechten. Auch Malik Fathi und Josip Simunic trugen dazu bei, dass die Herthafans insbesondere in der ersten Halbzeit sorgenfrei den Wolfsburger Angriffen entgegenblicken konnten.

Viel schneller als erwartet spiegeln sich bereits die Vorstellungen von Lucien Favre auf dem Spielfeld wider. Es wird rasch und ohne Eigensinn kombiniert. Die Laufwege der Spieler sind gut aufeinander abgestimmt. Und was noch nicht klappt, wird oft mit Engagement wettgemacht.

Prompt steigen bei Hertha wieder die Erwartungen. Etwas überraschend verkündete Dieter Hoeneß nach Spielende seinen Dreistufenplan: „Diese Saison streben wir einen einstelligen Tabellenplatz an, dann den Uefa-Cup und im übernächsten Jahr die Champions League.“ Stufenpläne gab es bei Hertha schon viele, beim neuesten darf man gespannt sein, ob er nicht wieder zum Treppenwitz wird.