Armee: Lager unter Kontrolle

31 Kämpfer der radikal-islamischen Fatah al-Islam werden beim Versuch, aus dem palästinensischen Flüchtlingslager Nahr al-Bared im Libanon zu flüchten, erschossen

KAIRO taz ■ Der Kampf um das palästinensische Flüchtlingslager Nahr al-Bared im Nordlibanon scheint beendet: Am Sonntagnachmittag erklärte ein Sprecher der libanesischen Armee, das Militär habe die Kontrolle über das Lager übernommen. Im Lager hätten Soldaten Freudenschüsse abgegeben. Zuvor hatte ein Teil der etwa 70 im Lager verbliebenen Kämpfer der militant-islamistischen Organisation Fatah al-Islam versucht, den Belagerungsring der libanesischen Armee zu durchbrechen. Dabei wurden laut Angaben aus Armeekreisen mindestens 31 Militante getötet und zahlreiche weitere festgenommen. Fünf Soldaten kamen ebenfalls ums Leben. Einem Teil der Militanten gelang die Flucht über einen unterirdischen Tunnel. Unter ihnen soll sich nach unbestätigten Berichten aus Armeekreisen auch der Kommandant der Fatah al-Islam, Schaker al-Abssi befinden. „Einige Kämpfer haben einen Ablenkungsangriff inszeniert, damit ihre Führung flüchten konnte“, berichtete der arabische Fernsehsender al-Dschasira. Andere Quellen meldeten, al-Abssi sei bei den Kämpfen am Sonntag umgekommen.

Zuvor waren die Truppen rund um das Lager verstärkt worden. „Das Militär greift die verbliebenen Stützpunkte der Fatah al-Islam an und verfolgt die flüchtigen Kämpfer außerhalb des Lagers“, hatte die Armee verlautbart.

Bei den Kämpfen, die am 20. Mai ausgebrochen waren, sind bisher 155 Armeeangehörige, eine unbekannte Anzahl Militanter und mindestens 20 Zivilisten ums Leben gekommen. Die über 30.000 Einwohner sind aus dem Lager geflüchtet, das zum Teil nur noch aus Ruinen besteht, die Hälfte davon ins benachbarte Beddawi-Flüchtlingslager.

Bereits in der vergangenen Woche deutete sich die letzte Schlacht um das Lager Nahr al-Bared an, als 63 Frauen und Kinder – Angehörige der Kämpfer – evakuiert wurden und nur noch die Kämpfer ihre schwer befestigten Stellungen im Lager hielten. Nachdem Vermittlungsversuche palästinensischer Geistlicher gescheitert waren, begann die Armee im August zunehmend von Militär-Transporthubschraubern aus Bomben auf die Stellung der von al-Qaida inspirierten Fatah al-Islam abzuwerfen.

Diese Bombardements scheinen die Kämpfer mittlerweile aus ihren Bunkerstellungen vertrieben zu haben. Trotzdem geht die Armee aus Angst vor Scharfschützen und Sprengfallen nur zögerlich vor. Die Soldaten rücken nach den Bombardements vorsichtig ins Lager ein, nehmen schrittweise Territorium ein und versuchen, dieses abzusichern, um dann das nächste Bombardement abzuwarten. Mit fast 2.000 Mann vor Ort sei die Armee zwar stark genug, um das Territorium des Lagers abzudecken, ihre Erfahrung im Häuserkampf sei aber begrenzt, was die Fortschritte verzögere, erklärt libanesische General a. D. Elias Hanna in der Zeitung Daily Star.

Seit dem Ausbruch der Kämpfe hatten die USA und einige ihrer arabischen Verbündeten Material und Munition an die libanesische Armee geliefert. Erst vor wenigen Tagen erhielt die Armee 130 gepanzerte Truppentransporter aus US-Beständen. Die libanesische Regierung hat nun schon mal für den 10. September eine Konferenz angekündigt, auf der der künftige Wiederaufbau des Lagers Nahr al-Bared besprochen werden soll.

KARIM EL-GAWHARY