Kampf der Vermarktungsindustrie

SHOW Mit Geschick hat die Fifa die heute stattfindende Wahl zum Weltfußballer zu einem Mega-Event hochgejazzt. Aus dem enorm gestiegenen Publikumsinteresse lässt sich prächtig Kapital schlagen

ZÜRICH taz | Nun hat auch Diego Maradona der Welt mitgeteilt, wer in seinen Augen der gegenwärtig beste Fußballspieler des Planeten ist. „Nicht Lionel Messi und auch nicht Cristiano Ronaldo, sondern Manuel Neuer verdient den Ballon d’Or am meisten“, findet die argentinische Legende und reiht sich damit in die lange Liste der Experten ein, die die Wahl zum Weltfußballer des Jahres 2013 kommentiert haben.

Einfluss auf das Abstimmungsergebnis wird Maradonas Meinung aber ebenso wenig haben wie die Einschätzung von Johan Cruyff, Andrij Schewtschenko, Alessandro del Piero, Dirk Nowitzki oder Ottmar Hitzfeld, die der Weltverband Fifa seit Wochen mit großem Eifer verbreitet. Die stimmberechtigten Nationalmannschaftstrainer, ihre Kapitäne und der kleine Kreis der befragten Journalisten haben ihr Votum bereits Ende November abgegeben, die verschlossenen Briefumschläge mit den Namen der Gewinner (eine Spielerin, ein Trainer und eine Trainerin werden auch gekürt) liegen angeblich längst gut versteckt in einem Tresor des Fifa-Hauptquartiers in Zürich.

Und dennoch sind die zahllosen Anmerkungen der erlesenen Fußballprominenz durchaus von Belang, sie sind Teil einer gewaltigen Marketingmaschine, die rund um die Wahl zum Weltfußballer des Jahres brummt. Die Show des vergangenen Jahres sei „eines der Top-5-Live-Events, die jemals im Web gestreamt wurden“, hat Claude Ruibal, der Chef des Sportsegments der Internetplattform Youtube nach der Wahl 2013 verkündet, Jahr für Jahr verdoppeln sich die Zugriffszahlen auf den Livestream. „Es ist unglaublich, dass so ein Event so viele Zuschauer erreicht“, sagt Ruibal, denn eigentlich passiert ja nicht viel bei der Gala im Züricher Kongresshaus. Man sieht bekannte Fußballer, die ein paar Floskeln der Dankbarkeit formulieren, bevor irgendwann Zettel mit den Namen der Gewinner in die Kameras gehalten werden. Wenn nichts Unerwartetes auf der Welt geschieht, wird es am Montag trotzdem kein bedeutenderes Medienereignis auf der Erde geben.

Und das liege auch daran, dass die Fifa, der das Ballon d’Or Event gemeinsam mit dem französischen Fachmagazin France Football ausrichtet, mit großem Geschick „einen Hype herstellt, von dem alle Beteiligten profitieren können“, sagt Christoph Bertling vom Institut für Kommunikations- und Medienforschung an der Deutschen Sporthochschule in Köln. „Die Wahl und die Gala der Fifa sind zu einem Thema mit großer öffentlicher Präsenz geworden, und deshalb interessiert nicht mehr nur das nackte Ergebnis der Wahl, sondern das Event. Es entsteht ein Bedürfnis, bei etwas dabei zu sein, das gesellschaftliche Bedeutung hat“, erklärt der Wissenschaftler.

Spannend sind nicht mehr nur die Sieger, sondern zum Beispiel die Enttäuschung auf Ronaldos Gesicht, wenn er nicht gewinnt. Und natürlich der Glamour, der entsteht, wenn die glanzvollsten Figuren der Fußballwelt im festlichem Zwirn über einen roten Teppich schlendern. Die Verleihung des Ballon d’Or ist für den von Korruptionsvorwürfen umrankten Weltverband zu einer der wichtigsten Selbstinszenierungsgelegenheiten geworden, und das lässt sich auch an den Besuchen auf der Fifa-Homepage erkennen. „Während der Monate vor dem Event sind die Besucherzahlen auf unseren Seiten stark mit den Veröffentlichungen rund um die Wahl zum Weltfußballer des Jahres verbunden“, sagt ein Sprecher des Verbandes. Als der Kandidatenkreis auf Neuer, Ronaldo und Messi reduziert wurde, haben 2,5 Millionen Menschen das Portal fifa.com besucht – ein Topwert. „Die mit Abstand meisten Besucher verzeichnen wir aber rund um die Gala“, sagt der Sprecher, „im vorigen Jahr hatten wir am 12. und am 13. Januar 32 Millionen Nutzer auf unserer Seite.“

Dieses enorme Interesse sei eine Folge der zunehmenden Personalisierung im Sport, die längst nicht mehr nur von den Medien betrieben wird, sagt Bertling. „Besonders Klubs, die nach Präsenz im Ausland streben, setzen immer mehr darauf, einzelne Spieler zu profilieren“, erklärt der Kölner Forscher, und so ist die Wahl zum Weltfußballer nicht nur ein Wettbewerb unter Sportlern, sondern längst auch ein Kampf der Vermarktungsindustrie und der großen Ligen in Europa.

Für die spanische Primera Division wäre es ein prestigeträchtiger Erfolg, wenn erneut das Genie Messi oder der als individualistischer Superheld inszenierte Ronaldo gewinnt. Während Deutschland sich gern mit dem eher bodenständigen Weltfußballer Manuel Neuer schmücken würde. Schließlich würde ein Sieg des Torhüters vom FC Bayern großartig zum hochmodernen und superseriösen Image passen, das die Bundesliga derzeit geschickt in der Welt etabliert. DANIEL THEWELEIT