Geföhnte Punks

Wenn die Killerpilze spielen, kommen manche Fans in Begleitung ihrer Eltern. Hysterie herrscht trotzdem

Fabi, der Schlagzeuger, ist ja soooo süüüüüß! Am liebsten würde man kreischen. Aber das braucht man nicht, die anderen kleinen Mädchen kreischen zu Genüge. Sie kreischen schon vor dem Konzert los. Sie kreischen, wenn die bulligen Roadies die Instrumente auf die Bühne tragen, sie kreischen, wenn ein Kameramann nur probehalber das gut gefüllte Kesselhaus in der Kulturbrauerei abschwenkt und wenn der Vorhang hinter der Bühne vielversprechend wackelt. Doch die Killerpilze föhnen wohl noch den Backstage-Raum, man hat also Zeit für ein Mango-Bier und einen kräftigen Atemzug Atmosphäre, die nach Studio Line von L’Oreal riecht und nach Teenage Konsum Exploitation.

Aus der Bravo weiß man eigentlich schon alles über die Band aus dem schwäbischen Kuhkaff Dillingen: Fabi, der bald 15-jährige Schlagzeuger, sein drei Jahre älterer Bruder Johannes, der sich wegen des größeren Coolness- und Brüllpotenzialfaktors „Jo“ nennt, und „Mäx“, der lockige 19-Jährige an der Gitarre, dazu ein Livebassist, der nicht sprechen darf, spielen eigene Stücke, jawohl, Punk-Stücke, nicht so ein Wischi-Waschi-Weichkram wie die Retortenbabys von Tokio Hotel. Und weniger doll geschminkt sind sie auch, obwohl um Jos Augen herum doch einiges an Kajal zu sehen ist und seine eigenwillige Frisur auf eine ganz besondere Art hinweist, den Föhn zu benutzen: Er muss ihn an den Hinterkopf gehalten haben, sodass alle Haare nach vorne geblasen wurden, hat dann aber den glänzenden Pony und die Seitenparts mit einem Bügeleisen an die Stirn geklebt. Ein umwerfender Effekt, der an die Frisur erinnert, die übrig bleibt, wenn man mit Helm und nassen Haaren Mofa gefahren ist. Zwischen den Songs, den Punk-Songs wohlgemerkt, die sehr stark an die Ärzte und an amerikanischen Pop-Punk gleichen Kalibers erinnern, flirtet Jo mit dem Publikum, dann springt er wieder in die Luft und lässt jugendliche Energie ab. Danach will er Hände sehen, aber vielleicht hat er auch „Wo sind eure Handys, ich will eure Handys sehen“ gerufen, denn es streckt sich kaum eine Hand ohne Telefon nach oben.

Während die Stücke auf dem letztjährigen, ersten Album (Platz 2 der deutschen Charts) noch „Richtig Scheiße“, „Scheißegal“, „Blümchensex“ oder „Ich hasse dich“ hießen, singen die Killerpilze auf „Mit Pauken und Raketen“ (bislang Platz 14) nun über „Stress im Nightliner“, darüber, wie blöd sie Nazis finden, und „Ich will Gerechtigkeit“. Sie rufen zu „Punk macht Schule“ auf, einer Spendenaktion für Schulen in Äthiopien, „die Kids da drüben sind echt froh darüber“, ruft Jo ins Mikrofon, „das könnt ihr euch vielleicht nicht vorstellen“. Es sind eben gute Jungs, die bis vor kurzem von Mäx’ Vater, einem Realschullehrer, gemanagt wurden. In der fünften Reihe sitzen zwei kleine Pilzfans in Bandlogo-T-Shirts auf den Schultern ihrer Eltern, das Mädchen rutscht langsam vor Müdigkeit am Rücken ihrer Mama runter. Überhaupt sind die Posen, sowohl auf als auch vor der Bühne, punktgenau von Hardrock-, Rock- und Punkbands kopiert: das Haareschütteln, das Sich-Anspielen der Gitarristen, das Hüpfen, das Moshen. Ein seliges Mädel darf am Ende noch zum Mitsingen auf die Bühne, aber dann ist wirklich Schluss, schnell die Alkopops austrinken und nach Hause ins Bett, morgen ist Schule, verdammt.

JENNI ZYLKA