Appell ist Gesinnungsluxus

betr.: „Europa erfolgreich abgeschottet“, taz vom 30. 8. 07

Die Folgen des „Exports der Bekämpfung der illegalen Migration“ durch die EU in die Länder des Maghreb sind menschlich so unerträglich und politisch so untragbar, wie von Dominic Johnson in dem Kommentar beschrieben. Leider aber bleiben taz-Autoren immer wieder (vgl. „Europas tödlich Abschottung“, 29. 8. 2006) in gesinnungsethischer Empörung und in Ideal-Lösungen hängen: „Jetzt müssen die Europäer lernen, sie (die Grenzen) wieder zu öffnen.“ Zwar würde dies sicher nicht nur unser schlechtes Wohlstandsgewissen beschwichtigen, sondern auch einer großen Zahl schwarzer Flüchtlinge wirklich helfen. Solange aber erträgliche Lebensverhältnisse in Afrika selbst fehlen, werden diese Massenwanderungen und deren Folgen andauern. Jede noch so offene Einwanderungspolitik wird nicht ohne Beschränkungen auskommen, die weiterhin Flüchtlinge, die ein besseres Leben suchen, ausschließen werden. Die Fluchtmotivation ist, wie Befragungen von Flüchtlingen zeigten (Italienischer Flüchtlingsrat), stärker als Todesangst, Demütigungen etc. Diese bis auf Weiteres unvermeidliche Realität – veränderbar nur durch bessere Entwicklungspolitik und bessere, insbesondere weniger korrupte afrikanische Eliten – verleugnet der pauschale Appell, Grenzen zu öffnen. Er ist Gesinnungsluxus, wenn man in keiner Verantwortung steht. HARTMUTH KÖNIG, Tübingen