SOUNDTRACK

Es gibt Bands, die veröffentlichen mehr als ein Album. Und dann gibt es noch Bands, die veröffentlichen mehr als ein Erstlingsalbum. So erging es den aus Johannesburg / Südafrika stammenden Dear Reader, die bereits 2006 unter dem Namen Harris Tweed debütierten – sich dann aber flugs umbenennen mussten, weil der so genannte Harris Tweed-Act den gleichnamigen Stoff unter Markenschutz stellt. Große Überraschung dann: während „The Younger“ noch unterging, schlug „Replace it with Funny“ umfassend ein, wie man so schön sagt. Das hatte die zu diesem Zeitpunkt noch zwischen Duo und Trio schwankende Band allerdings wohl weniger ihrem neuen Namen zu verdanken als der dankenswerten Abstandnahme von überproduziertem Breitband-Indierock und der Hinwendung zur schönen Kunst, die aus der Verbindung von fragilem Singer/Songwriting, Pianospiel und der Theatralik des Neo-Chansons gemeinhin entsteht. Auf dieser Grundlage stehen Dear Reader auch auf ihrem jüngst erschienenen Album „Idealistic Animals“ für schön gelüftete Poplieder, die in ihrer Leichtigkeit (oder aufgrund von Sherilyn MacNeils Stimme) an Bands wie Frente und Interpretinnen wie Tori Amos erinnern, gleichzeitig ihren unbedingten Hang zu Opulenz und Dramatik eher noch mehr betonen als die Songs des Vorgänger-Albums. Sa, 24.9., 16 Uhr, Michelle Records, Getrudenkirchhof 10

In Hamburg sagt man jedenfalls zur MS Stubnitz nur in den allerseltensten Fällen „Tschüß“, denn das Schiff scheint längst inventarisiert und ist mittel- bis langfristig mehr „da“ als „außer Haus“. Gut für alle, die Schiffe mögen, auf denen kulturell gesehen ausschließlich Gutes geschieht. Jetzt aber ist nach vielen Monaten im Hamburger Baakenhafen dann doch mal wieder für ganz kurze Zeit Schluss und wer noch einmal den langen Weg durch die Hafen-Einöde zum Winke-Winke machen auf sich nehmen möchte, wird mit einem warmen Sound belohnt, der sich mal als Gebirge, mal als Teppich und mal als Wolke präsentiert. Unter dem Namen Lafidki jedenfalls firmiert der in Paris ansässige Saphy Vong, der abstrakte elektronische Sounds und vielfältig geschichtete Rhythmen auf eklektische Weise zu jener Art von Experimentalmusik verrührt, die sowohl für die sonntagabendliche Sofaecke als auch für den Tanzflur geeignet erscheint. Bis bald dann. So, 25. 9., 21 Uhr, MS Stubnitz, Baakenhafen, Versmannstraße 23

Dass man mit Liedern über Fußball diverse Platten füllen und sich so als Band durch die Jahrzehnte retten kann, erscheint zunächst nicht als ganz große Überraschung. Ist es aber doch, denn die große Kunst entsteht erst, wo drei wesentliche Bedingungen erfüllt werden: Erstens sollen die Musikfreunde keinen Anlass zu Beschwerden, sondern immer nur zum Tanzen finden. Zweitens ist die Fähigkeit gefragt, die weichen und sensiblen Seiten des allgemein als grob und unbehauen geltenden Fußball-Fans in den Mittelpunkt des Geschehens zu stellen. Schließlich soll sich die Welt drittens nicht an plumpen Hymnen erfreuen, sondern an einer dubios-schrägen Grundhaltung, die doch wohl vor allem auch deutlich macht, dass Fußball hier vor allem ein schönes großes Bild ist, unter dem alle möglichen persönlichen und gesellschaftlichen Zustände verhandelt werden können. So gesehen steht die seit mittlerweile über 20 Jahren unter dem Namen No Life Lost vor sich hinpumpende Ska-Punk-Maschine für große Kunst (und nicht zuletzt aufgrund der umwerfenden Bläsersektion auch für hervorragende Live-Unterhaltung). Weil das so schön ist, gibt es anlässlich der neuesten Veröffentlichung nicht ein, sondern gleich vier Release-Konzerte, die gerecht über die Stadt verteilt werden. Zum Beispiel: Mi, 28. 9., 20.30 Uhr, SC Sternschanze-Clubheim, Sternschanze 9 NILS SCHUHMACHER