Schanze doch nicht hip

Das Amtsgericht Hamburg hat entschieden, dass das Wohnen im Schanzenviertel keine Mieterhöhung rechtfertigt. Der Lärm begründe vielmehr eine unterdurchschnittliche Wohnlage

VON BENJAMIN GEHRS

„Das gibt mir erst mal Aufwind, um hier zu bleiben“, sagt Ralf Becker. Die Aussage mag verwundern, ist der Mieter einer 125-Quadratmeter-Wohnung am Schulterblatt doch gerade vom Amtsgericht Hamburg zu einer Mieterhöhung von rund 50 Euro verurteilt worden. Seine Vermieterin hatte geklagt, weil der 51-jährige nicht bereit war, die angekündigten Mietzuwächse zu stemmen. Das Gericht gibt der Klägerin in seinem Urteil vom 28. August zwar recht, sieht aber die geforderte Mieterhöhung von 75 Euro als unangemessen an. Das freut Ralf Becker: „Das Urteil ist ein guter Kompromiss.“

Die Vermieterin hatte den geforderten Mietzins über dem Mittelwert des Hamburger Mietspiegels unter anderem mit der „Urbanität“ der Wohnlage und der „starken Nachfrage“ nach Wohnungen im Schanzenviertel begründet. Der Beklagte hielt dagegen, dass er durch den Betrieb der im Erdgeschoss des Hauses befindlichen Restaurants erheblich gestört werde. Insbesondere das Stühle- und Tischerücken sei in der Wohnung deutlich zu hören. Der Betrieb der Abluftanlagen und der Arbeitslärm der Küchen führe dazu, dass auch in den zum Innenhof gelegenen Räumen seiner Wohnung bis weit nach Mitternacht störende Geräusche zu hören seien.

Das Amtsgericht entschied nun, dass die Lage der Wohnung im Vergleich zur normalen Wohnlage unterdurchschnittlich sei. Die Piazza im Schanzenviertel, an der sich die Wohnung befindet, ist in den letzten Jahren mehr und mehr zu einer Gastronomiemeile geworden. Die durch den Betrieb der Restaurants entstehende Lärmbelästigung wirke sich, besonders in den Sommermonaten, auch auf die im zweiten Obergeschoss gelegene Wohnung des Beklagten aus, heißt es in dem Urteil.

Das Gericht kommt daher zu der Ansicht, dass die Miete geringfügig über dem unteren Drittelwert der ortsüblichen Miete zu liegen habe. Die Entscheidung des Amtsgerichtes freut auch Sylvia Sonnemann, Vorstandsmitglied des Vereins „Mieter helfen Mietern“ in Hamburg: „Das stärkt uns den Rücken.“ Der Verein hat schon häufiger mit Fällen zu tun gehabt, in denen eine Mieterhöhung mit Verweis auf die begehrte Wohnlage gefordert wurde.

Sylvia Sonnemann benennt die Problematik, die entsteht, wenn Stadtteile zu Szenevierteln deklariert werden: Grundstücksspekulanten trieben die Bodenpreise nach oben, die wiederum die Berechnung des Mietspiegels bestimmten. Das aktuelle Urteil zeige aber, dass man mit dem Bodenrichtwert allein nicht die Qualität einer Wohnlage erfasse. Vor allem von Lärm-, aber auch von Geruchsbelästigungen berichten die Mitglieder ihres Vereins. Sylvia Sonnemann glaubt daher, dass es nur eine Möglichkeit gibt, um über die Wohnqualität zu urteilen: „Man muss vor Ort gucken gehen.“