Senator Drägers gefühlte Unschuld

Weil er ein Gutachten an seinen früheren Arbeitgeber vergab, musste Senator Jörg Dräger im Wissenschaftsausschuss Rede und Antwort stehen. Er bedauert den Vorgang, auch wenn er sich rechtlich nichts vorzuwerfen habe

Wissenschaftssenator Jörg Dräger (parteilos) musste Rede und Antwort stehen: Hat er seinen ehemaligen Arbeitgeber, das Beratungsunternehmen Roland Berger, bei der Vergabe eines Gutachter-Auftrags bevorzugt?

Im Wissenschaftsausschuss der Bürgerschaft räumte Dräger am Dienstagabend ein, dass er persönlich den Auftrag für die 239.400 Euro teure Studie unterschrieben hatte und beharrte darauf, dass er sich „formal und auch gefühlt“ nichts vorzuwerfen habe. Die Summe liegt knapp unter der Grenze, ab der ein Auftrag EU-weit ausgeschrieben werden muss. Hätte er jedoch geahnt, welch „unfruchtbare Diskussion“ dies auslösen würde, hätte er sich bei der Vergabeentscheidung enthalten.

Für die GAL-Hochschulpolitikerin Heike Opitz bleibt ein „Geschmäckle“ bei dem Vorgang: Hellhörig war sie geworden, weil der Senat auf ihre schriftliche Anfrage hin Drägers Rolle verschleiert hatte. Obwohl er den Auftrag persönlich unterschrieb und die Lenkungsgruppe, die dies entschied, leitete, hieß es nur, er habe daran teilgenommen. In der Sitzung wurde nun bekannt, dass Berger seine Dienste sogar unter dem Marktpreis angeboten hatte, was Schön als löblich hervorhob, der Opposition hingegen erst recht verdächtig scheint.

Dräger hatte von 1996 bis 1998 bei Roland Berger in Frankfurt gearbeitet und anschließend in Hamburg das an der TU-Harburg angegliederte „Northern Institute of Technology“ (NIT) geleitet, bevor er 2001 Senator wurde. Vor dem Ausschuss räumte er ein, dass er sich als NIT-Chef schon einmal von der Firma helfen ließ: „Berger hat Input geliefert, wie ein MBA-Studium aussehen kann.“

Die aktuelle Studie zur „Talentstadt Hamburg“ wurde bislang nur in der Kurzpräsentation veröffentlicht. Der SPD-Abgeordnete Wolf Marx nahm die Ausschusssitzung dennoch zum Anlass, den parteilosen Senator auch inhaltlich hart anzugehen: Er frage sich, ob das Wort „Talentstadt“ nicht nur ein Synonym für das in der Öffentlichkeit weniger beliebte Wort „Elitestadt“ sei. Und sein Genosse Ingo Egloff unkte, der Senat wolle kurz vor der Wahl irgend etwas heraus bringen, „mit Power-Point-Präsentation und viel heißer Luft“, so etwas könnten Unternehmensberatungen gut.

Es gehe darum, eine Analyse der europäischen Städte im Vergleich zu bekommen, verteidigte Dräger die Untersuchung. Dafür habe er Berger gebraucht. Neben dem schlichten Abgleich von Akademikerquoten ginge es bei „Talenten“ auch um kreative ohne Hochschulabschluss, die „etwas neues, Vervielfältigbares erzeugen“.

Der Stadtforscher Richard Florida habe herausgearbeitet, dass viele amerikanische Städte zwar über Hochtechnologie verfügten, sie aber ergänzend auch noch ein gewisses Flair bräuchten, um für Talente attraktiv zu sein. Die europäischen Städte, so habe die Analyse ergeben, hätten mit ihrer meist über 150 jährigen Geschichte bereits „Uniqueness“ und „Flair“. Ihnen mangele es aber teilweise an Hochtechnologie.

Als Konsequenz aus dem Vorgang soll auf Vorstoß der GAL jetzt im Verfassungsausschuss der Bürgerschaft über einen Verhaltenskodex für Politiker beraten werden. Die CDU war damit einverstanden, beharrte aber darauf, dass der Vorgang Dräger-Talentstadtstudie dafür nicht als „Masterfall“ diene. KAIJA KUTTER