HABEMUS PAPAM
: Katholisch

Gotteserfahrung? Ich habe nur die Kälte des Weltalls gespürt

Es war der frühe Abend meines Geburtstags, zwischen sieben und acht Uhr, als wir auf der Torstraße standen, auf der anderen Straßenseite, vor dem Bandol. Wir hatten böse Dinge gegessen, weil es mein Geburtstag war und weil das mal ausprobiert werden wollte, Froschschenkel, frittierte Wachteln, Gänsestopfleber, Mittlere und Letztere waren sehr gut, zu gut, bei den Froschschenkeln hörte es bei mir tatsächlich auf, weil ich mir fröhlich hüpfende grüne Tiere vorstellen musste. Wir standen also, ich war eingeladen worden und fühlte mich wohl, vor dem Bandol und rauchten und sahen auf das katholische Haus St. Adalbert, das eine Papstbegrüßungsbanderole herausgehängt hatte, Katholiken sind in Berlin ja eher rar gesät.

Ich habe das Katholische an mir zu schätzen gelernt in diesem lutheranischen Exil. Trotzdem erinnere ich mich noch gut an die Betäubung in den endlosen Gottesdiensten, sonntags morgens, verlorene Kindheit, und an meine Mutter; wie sie, es war im letzten Sommer, ihr neuester Chef war just an dem Tag tot aus dem Sessel gekippt, von ihren Gotteserfahrungen erzählte und dann von mir wissen wollte, ob ich noch nie eine solche gemacht hätte, und ich sagte nein, denn obwohl ich mir diese Erfahrungen oft gewünscht hatte, hatte ich in den entscheidenden Momenten immer nur die Kälte des Weltalls gespürt.

Der Vorgänger des an jenem Sommertag verblichenen Pfarrers, er hatte nicht mal das Rentenalter erreicht, war der, wegen dem meine Mutter ihre Ehe aufs Spiel gesetzt hatte. Es gab keine Gewinner in dem Spiel.

Und trotzdem hätte ich jetzt diese Rede erleben wollen, die Rede des Papstes, ich hätte mich nicht aus ideologischen Gründen rein- oder rausgesetzt, sondern wäre neugierig gewesen, ihn zu sehen, zu sehen, wie er körperlich wirkt, und zu hören, was er redet, und wie das dann so wirken würde. Auf mich. Atheisten. RENÉ HAMANN