Träumen mit Jasmina Maschina und den Kamikaze Queens

Der Traum ist aus, hat mal jemand gesungen. War natürlich nicht wahr. Auch Rio Reiser konnte sich mal irren. Was allerdings sicher ist: Der Traum ist, was sein grammatisches Geschlecht angeht, männlich. Was doch seltsam ist. Schließlich wird meistens die Musik von Musikerinnen mit dem Attribut „träumerisch“ belegt, und nicht erst seit Kate Bush oder Björk. Diese Altmeisterinnen allerdings wirken geradezu wie Testosteron-Bomben verglichen mit den Traumlandschaften auf Jasmina Maschinas zweitem Album „Alphabet Dream Noise“.

Hinter dem Pseudonym versteckt sich die Australierin Jasmine Guffond, die vor einigen Jahren nach Berlin umgesiedelt ist. Damals spielte sie noch in einem Elektronik-Duo namens Minit. Nun, im Alleingang, bearbeitet sie mit rudimentären Fertigkeiten eine akustische Gitarre, lässt die Elektronik richtungslos knistern, Alltagsgeräusche einbrechen, das Meer rauschen... Dann wieder diese Gitarre, die zwar die einzige Konstante ist, sich aber nach einem ganz eigenen, streng geheimen Plan durch die Wahrnehmungsebenen schrammelt. Ab und an singt Guffond auch, manchmal sogar so etwas wie Melodien, noch seltener schält sich ein identifizierbarer Rhythmus aus dem Traum.

Vergleiche zum Weird Folk oder gar zum zuletzt recht beliebten Genre Witch House führen in die Irre. Jasmina Maschina verweist nicht auf Popgeschichte, sie spielt auch nur bedingt mit Versatzstücken und Klischees. Diese Musik ist sich vor allem selbst genug, sie ist konsequent privatistisch. Man kann diese Musik nicht mit den üblichen Analysewerkzeugen sezieren und einordnen, man kann sich nur einlassen auf jenen Strom aus Klang und Gefühl, der aus dem Unterbewusstsein zu kommen scheint, aus einer Welt zwischen Tag und, eben, Traum.

Die zweite Ausformung, in der der Traum in der Popmusik vorzukommen pflegt, ist ungleich profaner. Nämlich als der Traum, den der Popmusiker oder die Popmusikerin träumt. Unverzichtbar in diesem Traum: großer Erfolg, sagenhaft viel Geld und ewiger Ruhm. Es handelt es sich um den sogenannten Popstartraum. Früher, in den sechziger und siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts spielte auch hemmungsloser und jederzeit verfügbarer Sex eine wichtige Rolle.

Genau diesen Traum träumen die Kamikaze Queens, aber nicht erst seit heute. So hat Gitarrist Tex Morton schon Gitarre gespielt in Bands wie Lolitas oder Sunny Domestosz, und das zu einer Zeit, als das Rüschenhemd noch als letzter Modeschrei galt. Der Rest der Band ist nicht viel kürzer im Geschäft, hat sich aber noch mal in extravagante Kostüme gezwängt, die Haare kess frisiert und ein Rock-’n’-Roll-Show-Konzept entwickelt, in dem überraschenderweise Burlesque-Elemente vorkommen. Äußerlich erinnert das jetzt ein wenig an die Lokalkonkurrenz von Bonaparte, musikalisch allerdings hat man es mit eher antiquiertem Garagenrock zu tun. Der klingt auf dem zweiten Album „Automatic Life“ zwar durchaus frisch, aber grundsätzlich lässt sich nicht verleugnen: Dieser Traum ist aus. THOMAS WINKLER

■ Jasmina Maschina: „Alphabet Dream Noise“ (Staubgold), live: 29. 9., HBC; Kamikaze Queens: „Automatic Life“ (Sounds of Subterrania), live: 28. 9., Heimathafen