„Gegen die Idiotisierung“

NO HAGIDA Volle Kirche, volle Plätze. Hannover feiert den Protest gegen den lokalen Pegida-Ableger

AUS HANNOVER ANDREAS WYPUTTA

Schon kurz nach fünf am Montagnachmittag gibt es keine Chance, in Hannovers Marktkirche zu gelangen. Direkt davor schwenkt ein Helfer ein Schild: „Kirche überfüllt“ steht darauf. Bereits eine knappe halbe Stunde vor Beginn des multireligiösen Friedensgebets, mit dem Hannovers Anti-Pegida-Proteste beginnen sollen, sind die über 700 Sitzplätze längst vergeben. Hunderte drängen sich in den Gängen, Tausende draußen auf dem alten Marktplatz.

Sie sind wollen zeigen, dass Rassismus in der Landeshauptstadt als Niedersachsens einziger Metropole keinen Platz hat. „Frieden ist, wenn die Hautfarbe egal ist“, steht auf einem Banner, das der Fotojournalismusstudent Tobias Einender zusammen mit KommilitonInnen hochhält.

Andere werden deutlicher: „Gemeinsam gegen die Idiotisierung des Abendlandes“, schreiben sie auf ihren Transparenten – und immer wieder „Je suis Charlie“. Fremdenfeindlichkeit gilt in Hannover, wo Menschen aus über 150 verschiedenen Staaten zusammenleben, wo auf der weltweit bedeutendsten Industriemesse jedes Jahr Milliardengeschäfte angebahnt werden, nicht nur als geschmacklos, sondern als unendlich dumm.

Zwei Stunden später feiern die Menschen ihren Erfolg – ihr eigenes Engagement. Wenn Politiker wie SPD-Ministerpräsident Stephan Weil, Religionsvertreter wie Bischof Ralf Meister von der evangelischen Kirche oder Avni Altiner vom muslimischen Schura-Rat auf dem Georgsplatz für Weltoffenheit und Toleranz werben, wird geklatscht. Heftiger wird der Applaus aber, wenn die Hauptorganisatorin des Anti-Pegida-Bündnisses „Bunt statt braun“, Jasmin Arbabian-Vogel, die von der Polizei geschätzten Teilnehmerzahlen nennt: 11.000 sind es zuerst, dann 15.000, dann mehr als 19.000. Der von Linksautonomen blockierte Pegida-Aufmarsch, zu dem nicht einmal 200 Verwirrte kamen, hat sich da schon längst aufgelöst.