Doktorspiele für Sex und Geld

Ein Jura-Professor soll Promotionen und gute Seminararbeiten gegen satte Honorare und körperliche Zuwendung seiner Studentinnen vergeben haben. Nun wurde er in Hamburg verhaftet. Auch zwei Studentinnen sind im Visier der Ermittler

Die erste nachweisbare Verleihung eines Doktortitels fand 1219 in Bologna nach Bestätigung der Promotionsordnung durch Papst Honorius III. statt. Heute steht der „Dr.“ für gesellschaftliches Ansehen, bessere Posten und höheres Einkommen. Deshalb ist neben des Tragens des akademisch wertlosen Titels „um der Ehre willen (honoris causa, h.c.) oder des Titelhandels mit ausländischen oder Phantasieuniversitäten auch die Ergaunerung von Doktortiteln in Mode gekommen. So genannte „Promotionsberater“ bieten Hilfesuchenden an, Kontakte zu einem Professor zu knüpfen und die Dissertation zu „unterstützen“. Letztlich muss der Doktorand aber selbst sein Thema finden und bearbeiten, damit die Promotion als legal gilt. Illegale „Berater“ winken mit Ghostwritern und Schnellkursen, um den Doktoranden für die mündliche Prüfung fit zu machen. Auch die Bestechung von Professoren ist Beratern schon nachgewiesen worden. TAZ

VON KAI SCHÖNEBERG

Mit langjähriger Erfahrung in „Wissenschaftsberatung und der Beratung von Doktoranden“ wirbt das Unternehmen aus Bergisch Gladbach. Man habe mehr als „1.000 Promotionsprojekte geplant und bei der legalen Realisierung“ geholfen. Das stimmt offenbar nicht ganz.

Am Donnerstagmorgen wurde ein ehemaliger Jura-Professor der Universität Hannover in Hamburg von der Polizei verhaftet, weil er für die bekannte Firma aus der Nähe von Köln Juristen illegal zur Promotion verholfen haben soll. Außerdem soll der inzwischen vom Dienst suspendierte Lehrstuhlinhaber Studentinnen im Tausch gegen sexuelle Gefälligkeiten gute Noten bei Prüfungen gegeben und sogar eine Stelle an der Universität verschafft haben. „Es lagen Erkenntnisse vor, dass er eine Beschäftigung in Südamerika aufnehmen wollte“, begründet Oberstaatsanwalt Jürgen Lendeckel von der Ermittlungsbehörde in Hannover den morgendlichen Polizei-Zugriff auf den 52-Jährigen.

Die Staatsanwaltschaft hat beim zuständigen Landgericht Hildesheim Anklage gegen den Ex-Professor, zwei geschäftsführende Gesellschafter der Promotionsberatungsfirma sowie zwei ehemalige Studentinnen erhoben. Die Anklageschrift ist beachtliche 185 Seiten dick. Darin werden dem Professor Bestechlichkeit in 78, den Geschäftsführern Bestechung in 69 Fällen vorgeworfen. Insgesamt soll der Professor zwischen 1996 und 2005 rund 184.000 Euro kassiert haben. Dafür soll er Juristen aus ganz Deutschland an der Promotionsordnung vorbei eine Zulassung an der Universität besorgt haben, obwohl ihnen die nötige Prädikatsnote dafür fehlte.

Die Hälfte des „Erfolgshonorars“ in Höhe von insgesamt 4.100 Euro gab es bei der Annahme als Doktorand, die zweite Rate nach „erfolgreicher“ Begutachtung der Promotion.

Für den erschwindelten Titel sollen die „Doktoren“ selber an die Firma in Bergisch Gladbach je nach „Schwere“ ihres Falls zwischen 10.000 und 20.000 Euro gezahlt haben. „Viele Kunden waren Anwälte, die sich offenbar aus Eitelkeit oder zur Karrierebeförderung mit einem Doktortitel schmücken wollten“, sagt der Oberstaatsanwalt. Allerdings darf ein Professor für die Betreuung von Doktoranden keine Extra-Bezahlung verlangen.

Aufgeflogen ist der Betrug offenbar wegen eines weiteren Vergehens des Juristen: Die Hochschule war durch Studentinnen, die sich nicht von ihm prüfen lassen wollten, auf den Professor aufmerksam geworden. Die Frauen hatten sich an das Landesjustizprüfungsamt gewandt, da sie nicht verdächtigt werden wollten, gute Noten mit Sex bezahlt zu haben. Ihr Vorwurf: Der Professor der Rechtswissenschaften habe sie belästigt. Gute Noten bei Klausuren oder Hausarbeiten gab es am juristischen Seminar gegen Körperliches. Einer Studentin soll er sogar einen Job an seinem Lehrstuhl angeboten haben – gegen entsprechende „Zuwendung“. Zwei Studentinnen, die auf die Avancen des Juristen eingegangen sein sollen, stehen nun ebenfalls im Visier der Ermittler. Bei einer soll er gewohnt haben.

Die Universität Hannover erstattete bereits im Herbst 2004 Strafanzeige, wenig später erteilte sie ihm Hausverbot und suspendierte ihn vom Dienst. Seitdem arbeitete der Mann in Hamburg als Rechtsanwalt. Inzwischen hat die Universität sogar die Promotionsordnung der Juristischen Fakultät geändert, damit solche Fälle nicht wieder vorkommen können.

Der Beschuldigte sei ein eigener Typ, sagt Oberstaatsanwalt Lendeckel. Trotz Professorengehalt sei die finanzielle Situation des Mannes angespannt gewesen, weil er einen nicht ungepflegten Lebensstil gehabt habe. Den muss sich der Jurist und Promotionsberater nun offenbar erst mal entsagen. Bestechung und Bestechlichkeit können in besonders schweren Fällen mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren geahndet werden.