Jukebox

So viel Gitarre, wie man wirklich braucht

Elliott Sharp, den US-amerikanischen Musiker und Komponisten, kann man von verschiedenen Seiten betrachten, weil er vor allem an seiner Gitarre die unglaublichsten Sachen fingert: ein gestandener Freejazzer für Headbanger ist er, eine Minimal-Stratege, ein Blues-Experte und noch vieles mehr, und mit diesen ganzen Interessen muss der vielseitige Mann aus New York ja irgendwohin. Er macht also Platten.

Was Sharp aus der Fan- und Sammlerperspektive zum Problem macht. Weil Fans und Sammler in ihrem Tun wenigstens tendenziell zur Vollständigkeit streben. Dabei aber ist dem Mann einfach nicht hinterherzukommen, weil er bestimmt schon wieder in Japan und sonst wo ein neues Album veröffentlicht hat, und dann braucht man unbedingt auch noch die Platte „Country Music in the World of Islam“ vom irrwitzigen Eugene Chadbourne. Deswegen natürlich, weil hier Elliott Sharp mal mit Lap Steel und Dobro zu hören ist.

Stolze 185 Einträge zählt eine Discographie: alles Platten, die Sharp unter seinem Namen oder mit einer seiner vielen Bands oder in Beteiligung mit anderen Musikern seit 1978 veröffentlicht hat. Nur: Die Liste bricht bereits Ende der 90er-Jahre ab.

Das alles aber macht Elliott Sharp nicht, weil er nichts anderes zu tun hätte. Sondern weil er einfach gar nicht anders kann. Hier mal ein paar Platten verkauft und da ein Kleingeld für einen Gastbeitrag kassiert: so kleckert sich ein Lebensunterhalt zusammen, wenn man eine Musik spielen will, die den Hitparaden vollkommen wurst ist.

Bevor man sich jetzt aber vollkommen verzettelt, die Lebenshilfeliste der zehn Gitarristen, die man braucht: 1.) Django Reinhardt (die Energie mit drei Fingern), 2.) Hank B. Marvin (die zirpende Gitarre der Shadows, an ihr lernte Osteuropa den Rock), 3.) Nile Rogers (die Rhythmusgitarre von Chic), 4.) John Fahey (Akustikgitarre als Kontemplation), 5.) Hans Reichel (Gitarrenexperimentator, unverschämt unterschätzt), 6.) Arto Lindsay (hat Nichtspielenkönnen zur Perfektion gebracht), 7.) Neil Young (weil er Neil Young ist), 8.) João Gilberto (Kunst der Reduktion), 9.) Fred Frith (unterhaltsame Avantgarde).

Und 10.) natürlich Elliott Sharp (die Quersumme von allem. Da ist dann auch Jimi Hendrix gut aufgehoben).

Am Sonntag spielt Sharp im Watergate (21 Uhr), bei der Geburtstagsparty des verdienstvollen Krautrockgitarristen Manuel Göttsching. THOMAS MAUCH