BERLINER PLATTEN
: Ein Herz für Doppelbegabungen und damit die singenden Schauspielerinnen: Jasmin Tabatabai macht das solo und Anna Fischer mit Panda

Es gibt Menschen, die fragen sich, was eigentlich schlimmer ist: singende Schauspieler oder schauspielernde Sänger? Die Frage mag berechtigt sein, nachdem wir hierzulande nur mit knapper Not die musikalischen Ergüsse von Uwe Ochsenknecht und die darstellerischen Mühen von Marius Müller-Westernhagen überstanden haben, aber gemein ist sie trotzdem. Und wird in anderen Ländern auch meist nicht gestellt (obwohl die USA sich schon fragen lassen müssen, wie eigentlich David Hasselhoff passieren konnte).

Tatsächlich waren Schauspiel und Gesang dereinst Teil ein und derselben Ausbildung, und Jasmin Tabatabai fährt schon immer zweigleisig. Der wirklich große Erfolg will sich hier wie da bislang allerdings nicht einstellen, vielleicht auch weil die gebürtige Iranerin sich nicht auf ein Talent allein konzentrieren mag. So ist „I Ran“ erst ihr zweites Solo-Album, das fünf Jahre nach dem Debüt nicht mehr so recht anschließen kann an die damals aufgebaute Fan-Basis. Dabei hatte „Only Love“ immerhin die Top 25 der Charts erreicht.

Ein Kunststück, das „I Ran“ durchaus auch gelingen könnte. Von den Anfängen Tabatabais bei der Country-Girl-Band Even Cowgirls Get The Blues ist kaum mehr etwas zu hören, stattdessen nun rund produzierter Mainstream-Pop wie die Single „Let’s Stay Together“, die sich den dreisten Refrain „Ding Dang Dong/ Dingelingelong“ leistet. Mal schaben, wie in „On My Way“, die Gitarren etwas härter, mal tuckert die Elektronik wie in „Move On“. Mal ist das Tempo etwas flotter wie in „You In My Dream“, mal die Stimmung melancholisch wie in „Love = Heartache“. Meist geht es international abgesichert zu, nur in „Let Yourself Go Wild“ finden sich musikalische Hinweise auf Tabatabais Geburtsland. Man darf das unentschlossen nennen oder auch vielfältig und abwechslungsreich. Wirklich gelungen ist das Titelstück „I Ran“, eine Techno-Version des New-Wave-Gassenhauers von A Flock of Seagulls: Tabatabai hat dem exakt 25 Jahre alten Hit einen Text in Farsi verpasst und verschafft damit dem Titel eine niedliche Doppelbedeutung.

Vergleichsweise eindeutig geht es dagegen bei Panda zu. Die empfehlen ihren Zuhörern erst mal sich zu erleichtern: „Jeht kacken“ eröffnet das ähnlich subtil betitelte erste Album „Tretmine“. So geht es fröhlich weiter mit Liedern, die schon im Titel keine Fragen offen lassen: „Du kotzt mer an“, „Fresse“ und „Herzschmerzkacke“. In breitestem Berlinerisch vorgetragen werden diese Feinsinnigkeiten von Anna Fischer, einer 1,60 großen Schauspielerin mit demonstrativem Bubikopf und überbordender Selbstsicherheit, auch das ja ein typisches Berliner Talent.

Aber tatsächlich muss man zugeben, dass sich hinter der arg plakativ vorgetragenen Berliner Schnauze ein gewisser Charme verbirgt. Die Plattenfirma möchte eine modernisierte Version von Claire Waldoff hören. Der Humor der legendären Chansonette war sicherlich differenzierter, aber zumindest ihre entwaffnenden Derbheiten entführen Fischer und ihre souverän aufspielende Band doch in die Jetztzeit. THOMAS WINKLER

Jasmin Tabatabai: „I Ran“ (Chet/ Groove Attack) Panda: „Tretmine“ (Island/Universal) live am 17. 9. im Magnet