Zeitloses Brückenbauen

2-TONE-SKA Die Wiedervereinigung der britischen 2-Tone-Legende The Specials ist eine Punktlandung. Auch nach dreißig Jahren sind ihre Songs über die Talfahrt der britischen Wirtschaft, den alltäglichen Rassismus und die Proteste der Jugend noch schwer aktuell

Hymnen wie „Ghost Town“ taugen heute wieder als Soundtrack zum Widerstand

VON KNUT HENKEL

Joe Strummer war ein großer Fan von ihnen, Elvis Costello saß an den Reglern, als Jerry Dammers, Trerry Hall und Co. erstmals das Studio rockten, und der Godfather des guten Geschmacks, John Peel, bat das Septett zur Session ins Radiostudio. Das war im Mai 1979 und der Kult-DJ mit dem famosen Geschmack hat The Specials danach immer wieder in seiner legendären Sendung auf BBC Radio 1 über den Äther geschickt.

Und das würde er heute wieder tun – wenn er nicht im Oktober 2004 beim Urlaub in den Anden verstorben wäre: The Specials sind zurück. Und ihre Texte sind auch mehr als 30 Jahre nach der Bandgründung so aktuell wie eh und je. Jugendarbeits- und Perspektivlosigkeit ist heute genauso ein Thema wie es zu Beginn der 80er-Jahre des letzten Jahrhunderts war. Und so taugen Hymnen wie das grandiose „Ghost Town“ wieder als Soundtrack zum Widerstand. Das Video von 1981 zum Nummer-eins-Hit der wohl besten Ska-Band Englands beginnt bezeichnenderweise auf einem Friedhof und die Kamerafahrten werden immer wieder garniert mit Skeletten, die ihre Knochen ruckartig durchs Bild pfeffern.

Hits, die The Specials scheinbar wie selbstverständlich aus dem Ärmel schüttelten. Sieben aufeinanderfolgende Singles landeten unter den Top Ten und der Aufstieg der Band aus Coventry verlief kometenartig. 1977 von Jerry Dammers gemeinsam mit Bassist Horace Panter und Gitarrist Lynval Golding als The Coventry Automatics gegründet, schaffte es die Band schnell, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Gleich mit der ersten Single „Gangsters“ landete sie einen Hit und rockte in den folgenden Jahren die Charts – bis zu ihrer ersten Auflösung 1981. Geburtshelfer war dabei niemand Geringeres als Joe Strummer, der ein Konzert besuchte, begeistert war und die Ska-Band ins Vorprogramm von The Clash einlud.

Das war das Sprungbrett für Dammers, den schüchtern-linkisch auftretenden Sänger Terry Hall und deren Mitstreiter. Die bezogen dabei deutlich Position: „Musik wird politisch, wenn es neue Ideen in der Musik gibt … Punk war innovativ und Ska ist es auch und das ist der Grund, warum Bands wie The Specials und The Clash durchaus politisch sein können“, so Jerry Dammers in einem Interview. Und The Specials seien vor allem gegründet worden, um „schwarze und weiße Menschen zusammenzuführen“ – wofür das Septett selbst bestes Beispiel war.

Dammers war der vorderzahnlose Keyboarder der Band, der Songwriter, aus dessen Feder Perlen wie das antirassistische „It doesn’t make it allright“ stammen – und ihr Geschäftsführer. Denn Dammers wusste sehr genau, wo es langging, und gründete 1979 mit „2 Tone Records“ ebenjenes Label, welches neben den Specials mit Bands wie Madness, The Selecter und The Beat zum Inbegriff der antirassistischen britischen Ska-Bewegung wurde: Markenzeichen war und ist das schwarz-weiße Schachbrettmuster, das die antirassistische Einstellung dokumentieren sollten.

An der hat sich auch mit der Reunion dreißig Jahre nach der Gründung nichts geändert. Die steht übrigens ganz im Zeichen von Sänger Terry Hall, der gemeinsam mit Lynval Golding und Neville Staples mit „Fun Boy Three“ für Furore sorgte und nun den Taktstock bei The Specials schwingt. Jerry – Dammers ist nämlich als Einziger nicht mehr dabei. Trotzdem wird der denkwürdige Satz von Brit-DJ Frank Lammar heute abend in der Großen Freiheit vielleicht wieder wahr werden: „If you were 12 in 1979, the Specials were easy peasy lemon squeezy the greatest band on the planet.“

■ So, 25. 9., 20 Uhr, Große Freiheit 36, ebenda