Jamaika: „Sista P.“ muss gehen

Die Sozialdemokraten von Premierministerin Millers PNP haben die Wahlen verloren

SANTO DOMINGO taz ■ Nach 18 Jahren Regierungsverantwortung in Jamaika muss die People's National Party (PNP) in die Opposition. Bei den Parlamentswahlen vom Montag verlor die sozialdemokratische Nationale Volkspartei die Mehrheit im obersten Repräsentantenhaus Jamaikas und muss sich mit 28 der insgesamt 60 Parlamentssitze begnügen. Dienstagnacht räumte Staatschefin Portia Simpson Miller ihre Wahlniederlage ein. „Die PNP akzeptiert das Wahlergebnis“, erklärte die 61 Jahre alte Spitzenkandidatin der Sozialdemokraten. Die wirtschaftsliberale Jamaica Labour Party (JLP) wird für die nächsten fünf Jahre die Mehrheit präsentieren. Neuer Premierminister wird der 59 Jahre alte Bruce Goldinger.

Die Wahl auf der drittgrößten Karibikinsel war wegen des Tropensturms „Dean“ Ende August, bei dem es Verwüstungen im Süden und Westen, mehrere Tote sowie schwere Sachschäden gegeben hatte, um eine Woche verschoben worden. Insgesamt 60 Prozent der 1,3 Millionen Stimmberechtigten hatten sich an der Wahl beteiligt. Waren in den vergangenen Jahrzehnten während der Wahlkämpfe oft Dutzende Menschen ermordet worden, verlief der diesjährige Wahlkampf verhältnismäßig ruhig. Zehn Personen kamen bei Zusammenstößen zwischen Regierungsanhängern und Oppositionsvertretern ums Leben.

Die „Sista P.“ genannte Ex-Premierministerin Portia Simpson Miller hatte erst vor knapp einem Jahr die Regierungsverantwortung von dem charismatischen PNP-Chef Parcival J. Patterson übernommen. Kurz nach ihrer Amtsübernahme war die Euphorie unter den Anhängern der Sozialdemokraten noch groß, die erste Frau im Amt eines Staatschef könnte die von Korruption gebeutelte Partei nach fast zwei Jahrzehnten in der Regierungsverantwortung aus der Krise führen. Aber Simpson enttäuschte. Auch unter ihrer Regierung dominierte die Vetternwirtschaft. Die Arbeitslosigkeit blieb hoch. Nach wie vor leben knapp 20 Prozent der 2,8 Millionen Einwohner unterhalb der Armutsgrenze von 1 Dollar pro Tag. Das Wirtschaftswachstum stagniert, und die Gewaltkriminalität und Mordrate in Jamaika gehören zu den höchsten in der Welt: Rund 1.200 Menschen wurden im vergangenen Jahr ermordet.

Der Ökonomieprofessor und Berufspolitiker Bruce Goldinger steht für ein wirtschaftsliberales Programm. Umweltaktivisten befürchten, dass Goldinger den Abbau von Bauxit, einem der Hauptexportgüter des Landes, ankurbeln will, vor allem in der teilautonomen Region des Cockpit County. Die dort ansässigen Nachfahren der ehemaligen Negersklaven hatten „Sista P.“ die Rücknahme der Schürfrechte abgerungen, um die Pläne der Maroons für einen umweltverträglichen Tourismus nicht zu gefährden. HANS-ULRICH DILLMANN