Wo soll es hingehen?

COACHING Orientierung im Job ist immer mehr gefragt, bei Einzelpersonen wie bei Unternehmen. Der Markt ist unübersichtlich. Etablierte Verbände garantieren Standards

Mittlerweile lassen viele Coaches ihre Arbeit evaluieren, aber es gibt noch Verbesserungsbedarf

VON OLE SCHULZ

Das Zweiergespräch auf Augenhöhe, einst von Topmanagern in Krisen gepflegt, wird mittlerweile auch von vielen anderen Berufstätigen genutzt: das „Coaching“.

Der Berliner Coach Martin Hertkorn beschreibt es als „Brücke zwischen der aktuellen Situation und dem, was der Coachee erreichen will“. Das Coaching sei dabei aber keine Beratung, sondern solle die Selbstreflexion fördern: „Es geht nicht darum, dem Coachee einen Rat zu erteilen, sondern mit ihm gemeinsam eine adäquaten Weg zur Lösung eines beruflichen oder individuellen Problems oder Anliegens zu finden.“

Dafür sei es sinnvoll, zunächst ein „erreichbares konkretes Ziel“ zu formulieren. Viele Menschen wüssten nicht, „wo sie genau hinwollen“ – oder litten unter Barrieren, die sie sich erst bewusst machen müssten. „Dabei zu helfen, das ist Aufgabe des Coaches.“

Allerdings scheiden sich am Coaching auch die Geister. Das liegt vor allem daran, dass die Berufsbezeichnung „Coach“ nicht geschützt ist. Mehrere hundert Institute bieten Coaching-Ausbildungen an, rund 20 Verbände Zertifikate. Doch es gibt weder einen staatlich anerkannten Ausbildungsgang noch eine einheitliche Zertifizierung.

Auch Hertkorn spricht von einem „undurchsichtigen Markt“ und empfiehlt daher Coaches, die sich an den Qualitätsleitlinien des Deutschen Bundesverbands für Coaching (DBVC) orientieren, in dem Hertkorn selber Mitglied ist. Eine vom DBVC anerkannte Weiterbildung muss mindestens 150 Zeitstunden betragen, und tatsächlich gilt der DBVC als seriöser Verband der unübersichtlichen Branche. Der DBVC hat unter anderem das Kompendium „Coaching als Profession“ mit Leitlinien und Empfehlungen für die Entwicklung des Berufes herausgegeben.

Mittlerweile lassen viele Coaches ihre Arbeit zwar evaluieren, aber der DBVC sieht in der konkreten Umsetzung noch „Verbesserungsbedarf“. Eine Professionalisierung des Berufsfeldes ist aber noch aus einem anderen Grund sinnvoll: Denn das Coaching beruht nicht auf einer bestimmten Fachdisziplin.

Coaching sei zwar kein „Couching“, wie auch Hertkorn betont, aber Coaches arbeiten gleichwohl oft mit psychotherapeutischen Methoden. Das an die Humboldt-Universität angegliederte artop-Institut bietet zum Beispiel eine Ausbildung zum „Systemisch-Interaktiven Coach“ an, deren Grundlagen „in der Systemtheorie, im Konstruktivismus sowie in der Gestaltpsychologie und der Humanistischen Psychologie“ liegen (siehe Kasten). Ein guter Coach sollte laut dem promovierten Soziologen Martin Hertkorn mehrjährige Berufserfahrung haben und „methodenoffen“ sein: „Er hat verschiedene Instrumente in seinem Werkzeugkoffer, die er je nach Situation einsetzt.“

Derzeit gibt es laut einer Untersuchung der Uni Marburg rund 8.000 Steuerzahler in Deutschland, die Coaching als ihre Einkommensquelle nennen. Viele davon bringen berufliche Erfahrung mit: Die meisten sind der Umfrage zufolge zwischen 45 und 55 Jahren alt und sammelten zuvor durchschnittlich sechs Jahre Erfahrung in anderen Berufen.

Es könnten noch mehr werden, weil zumindest der Markt für Coaching-Ausbildungen boomt – und die Stundensätze der Coaches verlockend klingen: Nach der jüngsten Umfrage des DBVC liegt der Durchschnittssatz bei 153 Euro – eine erste Erholung nach dem Einbruch 2009. Demnach verfügen mehr als zwei Drittel der Coaches sowohl über eine akademische Grundqualifikation als auch über Führungserfahrung im früheren Berufsleben.

Wer überlegt, beruflich auf Coaching umzusatteln, sollte sich laut Hertkorn aber nicht von den vermeintlich hohen Honoraren blenden lassen: Die meisten Coaches, die Hertkorn kennt, brauchen zum Überleben noch ein zweites berufliches Standbein. „Viele Unternehmen suchen sich regelmäßig neue Coaches, weil sie eine Außenperspektive haben und noch nicht mit dem System verwachsen sind, das sie begleiten sollen.“

Wer hingegen einen guten Coach für sich selber sucht, kann auf die Mitgliedschaft in einem Coaching-Verband achten. Allerdings sind die Qualitätsstandards sehr unterschiedlich. Man sollte darum die Ausbildungsanforderungen vergleichen und auf ethische Leitlinien achten. Wichtig ist zum Beispiel die Frage, ob der jeweilige Verband über ein Beschwerdesystem verfügt – das kann eine Ethikkommission sein oder eine Ombudsstelle. Denn solange der Coaching-Markt so undurchschaubar ist, kann man (leicht) an einen Coach geraten, dessen Hilfe sich als Humbug erweist.