Weiterbildung auf historischem Grund

Bremens Volkshochschule hat – nach jahrzehntelangen Bemühungen – endlich eine innerstädtische Zentrale. Zugleich wird damit ein jüdischer Kaufhausbesitzer rehabilitiert. Dessen Hinterlassenschaft sollte ursprünglich abgerissen werden

Bislang war Bremen die einzige deutsche Großstadt, die keine innerstädtische Volkshochschul-Zentrale hatte – die 3.850 Kurse verteilten sich auf 230 Standorte. „Ich bin froh, dass wir unser negatives Alleinstellungsmerkmal nun los sind“, sagt Udo Witthaus, der ebenfalls neue Direktor bei der gestrigen Einweihung. Seit ihre Neugründung nach dem Zweiten Weltkrieg kämpfte die Bremer VHS um eine innerstädtische Verortung. Allein Witthaus‘ Vorgängerin Barbara Loer hatte dafür 14 Objekte fest im Blick – bei denen letztlich immer andere Institutionen zum Zug kamen.

Erwachsenbildung ist trotz des Schlagworts vom „Lebenslangen Lernen“ nicht lobbyträchtig. Dass die Bremer VHS mit ihrem unverkennbaren sozialen Profil – jährlich werden etwa 150.000 Euro für kostenlose Alphabetisierungsangebote investiert – nun endlich am Ziel ist, war letztlich nur durch einen Deal möglich: Das seinerzeit von der CDU geführte Kulturressort knüpfte die Zustimmung zum Umzug an eine zehnprozentige Etatkürzung.

Dabei muss die VHS schon jetzt die Hälfte ihres sieben Millionen Euro umfassenden Haushalts selbst erwirtschaften – die bundesweit dritthöchste Eigenfinanzierungsquote.

Immerhin birgt der Umzug der Volkshochschule eine historische Gerechtigkeit ganz anderer Dimension: Sie bezieht ein Gebäude, das als „Bambüddel“ in den 1920er und 30er Jahren in Bremen stadtbekannt war: als Kaufhaus, dessen jüdischer Besitzer Julius Bamberger als außerordentlich menschenfreundlich und kulturfördernd galt. Nebenbei war das im Bauhaus-Stil errichtet Gebäude Bremens erstes Hochhaus, 1929 ausgestattet mit Europas erster Rolltreppe.

Bamberger floh nach seiner Enteignung in die USA, wo er 1951 völlig verarmt starb. Jahrelang hatte er sich vergeblich um ökonomische Wiedergutmachung bemüht, erst nach seinem Tod erhielten seine Kinder etwas. Und ausgerechnet in Bambergers ehemaligen Kaufhaus befand sich bis 1998 das Bremer Amt für Wiedergutmachung. Dann stand das Gebäude leer und sollte abgerissen werden. In diesem Zustand hatten Bambergers Nachkommen das Haus vor sieben Jahren besichtigt.

Umso größer war die Freude gestern: Dank eines ungewöhnlich engagierten privaten Bauträgers konnten die neun Stockwerke samt Turm kostengünstig renoviert werden, sogar die meterhohen „Bamberger“-Buchstaben wurden wieder montiert. „Wir sind außerordentlich berührt“, sagt Jennifer Dahlstrom, eine Enkelin Bambergers.

Eine historische Wahrheit kam gestern trotzdem nicht zur Sprache: Dass ausgerechnet die Bremer Volkshochschule dezidiert rassistische Wurzeln hat. Sie wurde 1919 vom späteren NS-Bildungssenator zur „Förderung des völkischen Geists“ gegründet.

HENNING BLEYL