CDU pfeift auf Großstadtpartei

CDU Zur liberalen Großstadtpartei wie unter Ole von Beust soll die CDU wieder werden. Die Basis aber hat am Kurs der neuen Führung manches auszusetzen

Das wird kein Selbstgänger. Deutliche Zweifel der Basis schlugen dem neuen CDU-Landesvorstand auf einer Mitgliederversammlung entgegen. Um eine „offene, kritische und auch kontroverse Diskussion“ über das neue Grundsatzprogramm hatte der neue Parteichef Marcus Weinberg gebeten – und die bekam er am Freitagabend.

Gegen Gleichmacherei

Warum im Programmentwurf nichts über Studiengebühren stehe, fragte ein Mittzwanziger. Die ermöglichten „dem Markt der freien Wirtschaft größeren Einfluss auf die Studienangebote“, stellte er unter Beifall klar. Ein Ganztagsschullehrer wandte sich gegen die „gleichmacherische Ganztagsschule“, denn „Christdemokraten wollen ihre Kinder nicht den ganzen Tag vom Staat erziehen lassen“, sondern zumindest nachmittags „von der Mutter, die deshalb zu Hause bleibt“. Einer kritisierte, eine Frauenquote in der Wirtschaft sorge „möglicherweise für mehr Gerechtigkeit“, schränke allerdings „die Freiheit des Unternehmers ein“. Das sei „Gleichmacherei, die wir ablehnen“.

Weinberg und sein Vize Rüdiger Kruse hatten alle Hände voll zu tun, um die Deutungshoheit nicht zu verlieren. Die beiden Hauptautoren des Programmentwurfs wollen die CDU wieder zur „modernen und weltoffenen Großstadtpartei“ machen – wie unter Bürgermeister Ole von Beust. Dafür erläutern sie ihre Vorstellungen von „Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit“ und erklären „Nachhaltigkeit“ zum Synonym für „Bewahrung der Schöpfung“ – und somit zur „Kernmarke der Union“.

Weinberg findet, „es tut unserer Partei gut, wenn wir uns über das eine oder andere Thema strittig auseinandersetzen“. Denn Debattenkultur und innerparteiliche Demokratie sind noch nie das Erkennungszeichen der Hamburger CDU gewesen. Eben das hat nach Ansicht vieler Mitglieder im vorigen Jahr zu den internen Auseinandersetzungen über die Primarschulreform geführt und zum Bruch des ungeliebten schwarz-grünen Bündnisses. Es werde „keine weitere Reform des Hamburger Schulwesens angestrebt“, versicherte deshalb Weinberg eifrig unter großem Applaus.

Leitkultur ohne Kopftuch

Nun sollen die sieben Kreisverbände das Grundsatzprogramm bis Anfang November debattieren, die Endfassung soll ein Parteitag im März verabschieden. Bis dahin ist noch eine Menge zu klären. Ihm gefalle ja der Begriff „europäische Leitkultur“ in der Präambel, sagte ein Christdemokrat. Aber dann müsse darunter bitte auch ein Kopftuchverbot zu verstehen sein. SVEN-MICHAEL VEIT