Wenig Grund zum Jubeln

betr.: „Prächtig entwickelt“, taz bremen, 3. 9.

„Die Stimmung im Stadtteil ist deutlich gestiegen“, sagt der Vegesacker Ortsamtsleiter Reiner Kammeyer. Das Barometer, mit dem er die gute Laune misst, hätten wir auch gern zur Verfügung. Die angeführten Zahlen zur Entwicklung des ehemaligen Vulkangeländes bezweifeln wir nicht. Auch ist uns klar, dass es eine geringfügige Verbesserung der Arbeitsmarktzahlen in Bremen-Nord gegeben hat. Alles andere wäre im Zusammenhang mit den hohen öffentlichen Investitionen in Höhe von 48 Millionen allein für das Vulkan-Gelände auch eine mittlere Katastrophe.

Um verlässliche Prognosen über die Entwicklung der Sozialstruktur in Bremen-Nord geben zu können, müssen die Zahlen aber im Gesamtkontext gesehen werden. Mehr als 15.000 Menschen in Bremen-Nord leben von Sozialleistungen. Seit spätestens 2004 ist wieder ein Bevölkerungsrückgang in allen Nordbremer Stadtteilen zu beobachten. Das Lohnniveau ist spürbar gesunken. Ausbildungsmöglichkeiten sind in zu geringem Maße vorhanden, was sich unter anderem darin äußert, dass junge Menschen Bremen-Nord so schnell wie möglich den Rücken kehren. Investitionen wie in die Markthalle, die Jacobs University oder eine Verlängerung der Bahnlinie steht entgegen, dass Jugend- und Kultureinrichtungen, Schulen und Kindergärten unterfinanziert sind. Insgesamt sehen wir wenig Grund zu Jubeln. Notwendig wäre ein grundlegender Wandel: weg von Investitionen in Leuchtturmprojekte, hin zu einer Finanzierung in die Breite. Eine Politik à la „Ich baue mir die Welt, wie sie mir gefällt“ (Pippi Langstrumpf) wird die bestehenden Probleme jedenfalls nicht lösen. HENNING TEGELER, Die Linke, BREMEN