Panzer mit Herz

KUNST In der Galerie Herold im Güterbahnhof zeigt der Bremer Künstler Uli Chomen üppig wuchernde Zeichenwelten mit auffällig vielen Panzern und Kriegern

Die Panzer bekommen geradezu Persönlichkeit, wie sie da in der Landschaft stehen, vor majestätischen Berggipfeln oder verloren im Wald

VON ANDREAS SCHNELL

Sie haben keine Titel – außer dem vielsagenden Ausstellungstitel: „Tausendjährige isländische Gene“. Sie wirken beinahe monumental. Aber der Blick aus der Distanz erschließt die Kompositionen aus Blättern ganz unterschiedlicher Größen nicht, die die Wände der Galerie Herold im Güterbahnhof bedecken. Zu viele Details, kleinteilig die Bildsprache. Man muss ganz nah heran, um zu sehen, worum es hier eigentlich geht. Und auch dann wird es einem nicht ganz klar. Es ziehen sich Themen durch die Arbeiten, Narrative, einer zumindest möglicherweise trügerischen Großordnung unterworfen. Jedenfalls: Panzer. Fiktive Konsalik-Titel. Waffen. Männer. Männer mit Waffen. Und all das im steten Dialog mit Natur.

Die Bildsprache ist adäquat: Manches ist in Comic-Panels gefasst, gelegentlich gar ganz konventionell auf einem Blatt organisiert. Aber eine klassische Geschichte oder einen Ausschnitt einer solchen gibt es nicht zu sehen. Anderes verweist in der Linienführung auf Comics, in der Art, wie die Figuren daherkommen, einige fantastische Geschöpfe, halb Mensch, halb Tier. Manches ist eher streng schwarz-weiß, anderes mit Wasserfarben koloriert. Einiges wirkt skizzenhaft, anderes penibel ausgearbeitet.

Und: immer wieder Panzer. Sie bekommen geradezu Persönlichkeit, wie sie da in der Landschaft stehen, vor majestätischen Berggipfeln oder etwas verloren im Wald. Aber es sind doch unverkennbar stets Zerstörungsmittel. So wie die anderen Waffen in den Händen von Kriegern verschiedener Epochen, Cowboys und Indianer, Soldaten und Terroristen mit Taliban-Anmutung – bis hin zu „Star Wars“-Personal. Eine militante Kunst? Dagegen spricht einiges, wie die gar nicht liebevolle Verspottung des Trivial-Belletristen Konsalik, dem hier ein Roman namens „Hitlerglocken“ unterstellt wird. Es scheint eher eine Faszination für den Umstand zu sein, wie elaboriert diese Maschinen sind, auch vielleicht, wie selbstverständlich sie in der Welt sind, so sehr, dass sie scheinbar auf eigene Faust auf Landschaftserkundung gehen können. Ein Bild mit zwei Panzern hat die Aufschrift „Der Referent & sein Kollege“, neben diesem Titel ein Herzchen.

Aber das könnte auch ein Buchtitel sein, der Chomen bei der Arbeit unterkam. Auf einem anderen Blatt nämlich ist in Bleistift neben Telefonnummern notiert: Rene Pfeilschiffer – „Die Spätantike“. Eine kokette Fußnote, die sich erst dem genauen Blick offenbart und sich als konkretes Zeichen dennoch der Deutung verweigert. Was natürlich nicht positionslos ist, sondern die Krieger mit spöttischer Distanz zum Material von Kunst macht – vielleicht das Beste, was sich damit anstellen lässt.

Beim Besuch von „Tausendjährige isländische Gene“ lohnt sich auch der Blick ins Treppenhaus bei der Galerie, wo der Künstler Burkhard Garlichs, dessen Arbeiten noch bis zum 25. 1. im Pavillon des Gerhard-Marcks-Hauses zu sehen sind, eine reizvoll minimalistische Installation zeigt.

■ Bis 8. 2., Mi 16–19 Uhr, Do 16–21 Uhr, So 15–18 Uhr; Finissage, Sonntag, 8. 2., 15 Uhr, Galerie Herold