Union durchschaut seine Spieler

FUSSBALL Im „EisernLab“ sammelt der Zweitligist Informationen über die eigenen Profis und Gegner

„Wir wollen ein Langzeitgedächtnis von Union schaffen“

DANIEL STENZ, DIPLOM-SPORTÖKONOM

Mitunter muss sich Uwe Neuhaus Fragen von besorgten Union-Fans anhören, die wissen wollen, weshalb der Trainer der Eisernen nicht öfter als „Spion“ in fremden Fußballstadien zu Gast sei. Schließlich müsse er doch mit der Spielstärke und Taktik der Rivalen in der 2. Bundesliga vertraut sein. „Alles zu erfassen ist im Stadion schwer. Das muss jeder Trainer selber wissen, ob er das macht“, antwortet Neuhaus.

Selbstverständlich informiert sich der Eisernen-Coach über die Konkurrenz. Nur vertraut er dabei offenbar weniger seinen Augen in der hitzigen Liveatmosphäre eines Stadions als dem kühl-sezierenden Blick des technologischen Fortschritts. „Unglaublich, was sich in der Technik getan hat“, schwärmt Neuhaus.

2009 startete Daniel Stenz im Stadion an der Alten Försterei das Projekt „EisernLab“, das – etwas verwegen – an das „MilanLab“ des AC Mailand anknüpft. Im „Lab“ speichert Diplomsportökonom Stenz Daten über Spiele und Spieler, Leistungen und Verletzungen sowie die Stärken und Schwächen der Gegner. „Wir wollen ein Langzeitgedächtnis schaffen“, so Stenz. Man könnte es auch als Versuch werten, die Profis gläsern zu machen.

Unterstützt wird Union dabei von zwei Unternehmen im benachbarten Hochtechnologie-Standort Adlershof. „Fußball wird immer mathematischer und wissensintensiver“, so Christian Scholz, Geschäftsführer der LTB Lasertechnik GmbH und bekennender Union-Fan. Union-Tüftler Stenz, der früher mit dem Kölner Bundesliga-Trainer Christoph Daum in der Fußball-Analyse neue Wege ging, leitet eine fünfköpfige Abteilung bei den Eisernen, die einen Vorsprung durch Technik schaffen will. „In diesem Bereich sind wir in der Zweiten Liga führend. Das ist sonst nur in der Bundesliga üblich“, sagt Abteilungsleiter Stenz.

Das „EisernLab“ soll nicht nur Analysen zum Istzustand liefern, von der digitalen Datenbank verspricht sich der Köpenicker Club auch wichtige Fingerzeige bei der Neuverpflichtung von Spielern. Der Technologieeinsatz gestattet Union „fast weltweit“ (Stenz) Zugriff auf Fußballübertragungen. So muss sich der Zweitligist nicht nur auf Videofilme von Spielerberatern verlassen, die ihre Klienten meist in günstigem Licht inszenieren. Stenz: „Mithilfe von Computern erfasste Statistiken zu Bewegungsabläufen oder Sprinthäufigkeiten sind objektiv belastbar und eine sehr gute Grundlage für die Beobachtung potenzieller Neuzugänge.“

Auch die aktuelle Mannschaft wird vor ihren Auftritten technologisch ausgerüstet. Dann verteilt Stenz Tablet-PCs an die Profis zur Einstimmung auf den nächsten Gegner. „Dort ist alles drauf, was den Jungs für das Spiel hilfreich sein könnte“, erzählt Stenz. Selbst das bevorzugte Ziel von Elfmeterschützen sei abrufbar: „Der berühmte Zettel, den Jens Lehmann im WM-Spiel 2006 gegen Argentinien benutzte, wird dadurch überflüssig.“

Nach dem Spiel bereitet Stenz die Videoanalyse für Trainer Neuhaus vor. „Bis zu sechs Stunden“ dauere der Schnitt des Films mit den wichtigsten Szenen, die im „EisernLab“ gespeichert werden. JÜRGEN SCHULZ