Mit einem Etarra durch Spanien

Separatistische Volkstümelei oder linksradikale Ablehnung der kapitalistischen Gesellschaft? In „Der bewaffnete Freund“, dem neuen Roman des Berliner Schriftstellers Raul Zelik, reist Protagonist Alex mit einem führenden Mitglied der baskischen ETA durch Spanien. Heute Abend liest Zelik in der Werkstatt 3 aus seinem Roman

Zur Konfrontation in Spanien hat sich der 1968 in München geborene Berliner Schriftsteller Raul Zelik schon in einigen Zeitungsartikeln geäußert. Im April dieses Jahres etwa hat er kenntnisreich den rabiaten Nationalismus der beiden großen spanischen postfranquistischen Parteien, der Konservativen und der Sozialdemokraten, kritisiert. Den komplementären Nationalismus aus dem Baskenland hat er dabei nicht in den Blick genommen – obgleich seinem neuen Roman „Der bewaffnete Freund“ anzumerken ist, dass sich Zelik im Baskenland auskennt. Mit klarer, angenehm nüchterner Sprache beschreibt er knapp, aber treffend die baskische Küstenstadt Bilbao, die Weite zum Meer hinaus und die Enge der Berglandschaft, in denen vereinzelte Berghöfe neben Fabrikhallen liegen: „Vom Küchenfenster aus sah man Viehweiden, eine alte Kirche, leicht heruntergekommene Industrieanlagen, einen kleinen Hafen und die raue atlantische See …“ Später beschreibt Zelik einen Ausflug aus dem Zentrum von Bilbao mit der Metro an einen Atlantikstrand so anschaulich, dass es eine Freude ist, den Ort wiederzuerkennen.

Der Erzähler, Alex, ist 1984 das erste Mal ins Baskenland gereist. Zelik selbst vielleicht auch. Zu jener Zeit tauchten in den Kneipen im Baskenland neben den roten Sternen und Fotos von gefangenen Etarras plötzlich Plakate für die Hafenstraße und die autonomen Kämpfe der 80er auf. Der Rock Radical Vasco war die angesagte rebellische Musik – die Band „Kortatu“ klang wie „The Clash“ auf Baskisch – und beim Kalle Borroka, dem Straßenkampf, ging es militant gegen die Polizei.

„Der bewaffnete Freund“ aber spielt im Sommer 2006. Protagonist Alex gerät in eine verbotene Demonstration und wird von der Polizei verfolgt – Alltag auch heute im Baskenland. Rabbee, ein Freund von Alex aus Berlin, kann mit dem baskischen Nationalismus wenig anfangen. Er kritisiert die Volkstümelei, das Identitätsgehabe. Alex hingegen sieht den „Wunsch von Hunderttausend Menschen, nicht dazuzugehören“ nicht als nationalistische Abgrenzung, sondern als Ablehnung der kapitalistischen Gesellschaft und des rassistischen spanischen Grenzregimes gegenüber Afrika. Im Baskenland, erzählt er Rabbee, „wählen 15 % linksradikal“. Seine Sicht der Dinge erinnert dabei an einen älteren Autonomen, der die in ihren Mitteln militante linksnationale baskische Bewegung und ihre bewaffnete Organisation ETA unbedingt als etwas Linksradikales wahrnehmen möchte.

Als Rabbee und mit ihm seine etwas schematische Kritik an baskischer Identitätskonstruktion schließlich gen Berlin abreisen, nimmt ein anderer Freund von ihm über einen Mittelsmann Kontakt zu Alex auf. Es ist Zubieta, der in den Zeitungen als „Kopf der bewaffneten Bande ETA“ zur Fahndung ausgeschrieben wird. Zubieta bittet ihn um einen Gefallen – Alex möge ihn in seinem Auto durch Spanien fahren. Eine Fahrt, die die gesamte zweite Hälfte von „Der bewaffnete Freund“ einnimmt.

Folter bei der Polizei, Kriminalisierung, hunderte Gefangene aus der militanten Unabhängigkeitsbewegung, militanter Protest, der Glaube an die Parole „Unabhängigkeit und Sozialismus“, die Nachwirkungen der Franco-Diktatur, Verbitterung über den spanischen Nationalismus – dies treibt viele Menschen im Baskenland um. In „Der bewaffnete Freund“ schimmert daneben aber auf, dass es auch eine Positionierung jenseits der Nationalismen gibt. GASTON KIRSCHE

Lesung heute, 19.30 Uhr, Werkstatt 3, Nernstweg 32–34. „Der bewaffnete Freund“ ist erschienen im Blumenbar Verlag München, 288 Seiten, 18 Euro.