ORTSTERMIN: Die Bremer Sparkasse lädt zum Talk über Wirtschaft und Moral
: Über Manager und Kapuziner-Äffchen

Die anonymen Strukturen der Finanzwirtschaft sind dem moralischen Gefühl des „homo sapiens“ nicht zuträglich

Weit mehr als 200 Gäste, die meisten in gutem dunklen Tuch, waren der Einladung der Bremer Sparkasse zum Kulturdialog „after work“ gefolgt. Richard David Precht war angekündigt, der Bestseller-Autor, bekannt aus Talkshows. Zudem gibt es bei der Sparkasse immer gutes Catering.

Das Thema, so führte Tim Nesemann, der Chef der Bremer Sparkasse, in den Gesellschaftsabend ein, sollte das Spannungsverhältnis sein von Wirtschaft, Moral und Verantwortung. „Die Wirtschaft“ ist in der Kritik, ihr wird Gier und anderes Unmoralisches vorgeworfen. Ist die Wirtschaft moralisch reformierbar?

Precht sollte dazu referieren, und dann sollte er mit dem Präsidenten der privaten Jacobs-Universität, Joachim Treusch, und mit Heiko Staroßom, dem „Klima-Botschafter“ im Sparkassen-Vorstand, diskutieren. Precht hat einen Vortragsstil, der es leicht macht, über 40 Minuten zuzuhören. Mit Moral habe der Mensch von Natur aus nichts am Hut, erklärte er, das sei eine Erziehungsfrage, und vor allem bei größeren Summen stoße die an ihre Grenzen.

Der Mensch habe aber ein tief verankertes Sensorium für unfaires Verhalten. Kapuzineraffen, so berichtete Precht, kooperieren mit den Forschern, wenn sie mal Gurkenstücke, mal Weintrauben als Belohnung bekommen. Weintrauben mögen sie, Gurken weniger. Wenn man dann aber den Käfig teilt und die einen Äffchen nur Gurken bekommen und sehen, dass die anderen Weintrauben bekommen, werden sie sauer.

Menschen reagieren im Prinzip genauso, sagt Precht. Wenn kein Manager mehr als eine Millionen Euro im Jahr verdient, sind alle zufrieden. Wenn einer zehn verdient, sind andere mit zwei Millionen unzufrieden. Dahinter stehen emotionale Reaktionsmuster, die mit Predigten nicht zu verändern sind.

Was heißt das für Moral und Unmoral in der Wirtschaft? Uni-Präsident Treusch berichtete von seinen Studierenden, die aus aller Welt kommen, dass manchmal spannende Differenzen unterschiedlicher Moral-Kulturen deutlich würden: Chinesen, die im Kopieren nichts Unmoralisches sehen, treffen auf Afrikaner, die immer Zeit haben und von ihren Kommilitonen auf den Wert von Pünktlichkeit hingewiesen werden.

Staroßom, der Sparkassen-Vorstand, gab sich nicht damit zufrieden, dass der Mensch zur Moral nicht erzogen werden könne. Er empfahl Konfuzius – der hatte vor 2.000 Jahren gepredigt, Herrscher müssten eben besonderen Anforderungen genügen. Und der chinesische Philosoph Lao Tse hatte die Menschen gelehrt, sich nicht zu überschätzen.

Dass damit das Problem der Moral in der Wirtschaft gelöst ist, darf bezweifelt werden. Die Moderatorin Katja Gentinetta insistierte auch nicht darauf, dass die Frage des Abends beantwortet würde. Precht hätte sonst eher ernüchternd erklärt: Die anonymen Strukturen der Finanzwirtschaft, in der es zudem um sehr viel Geld geht, sind dem moralischen Grundgefühl des „homo sapiens“ nicht zuträglich. Die versammelte Bremer Geschäftswelt genoss dann Häppchen und Wein. KAWE