Kreative Fleißbiene

Der treue Weggefährte ist ihnen temporär abhandengekommen. Während die Fußballprofis von Hannover 96 im türkischen Belek für die Rückrunde der Fußball-Bundesliga schuften, ist Hiroshi Kiyotake zeitgleich im fernen Australien gefragt. Als japanischer Nationalspieler nimmt er am Asien-Cup teil. Zwei Siege, zweimal eingewechselt, das Viertelfinale ist in Sichtweite: Was den Spieler ehrt, kann sein Verein im Grunde nur doof finden. Denn Kiyotake wird einen Großteil der Vorbereitung auf die Bundesliga-Rückrunde verpassen. Da er zu den teuersten Profis im Kader von Hannover 96 gehört, hält sich der Jubel über die lange und weite Dienstreise des offensiven Mittelfeldspielers in Grenzen.

Wie gut Kiyotake in Hannover bereits integriert ist, lässt sich nur erahnen. Seit seinem Wechsel vom 1. FC Nürnberg zu den Niedersachsen im Sommer 2014 ist er als begnadeter Schweiger in Erscheinung getreten. Und als kreative Fleißbiene der besonderen Art. „Ich bin ein ehrgeiziger Spieler und möchte immer mehr erreichen“, sagt Kiyotake, wenn die Frage auftaucht, wie zufrieden er mit seiner Arbeit im Auftrag von Hannover 96 ist. Von 17 Bundesligapartien durfte der Japaner 16 von Beginn an bestreiten. Ersten Anlaufschwierigkeiten hat er drei Tore folgen lassen. Die zwischenzeitliche Kritik, dass Kiyotake zu wenig gute Ideen in der Offensive beigesteuert hat, ist längst wieder verstummt. Aber ein Neuzugang, der für stolze 4,5 Millionen Euro verpflichtet worden ist, wird eben genau beobachtet.

Es war ein erstaunlicher Umbruch, den sich Hannover 96 vor der Saison getraut hat. Zehn Neuzugänge aus aller Welt runden ein Ensemble ab, das auf die Anweisungen von Cheftrainer Tayfun Korkut hört. Er legt größten Wert darauf, dass eine Fußballmannschaft als intelligentes Kollektiv auftritt, in dem jeder Einzelne seine persönlichen Belange zurückstellt. Für einen folgsamen Asiaten wie Kiyotake ist das ein Kinderspiel. Nennenswerte Formschwankungen sind bei ihm Mangelware. Dass er einen Arbeitsvertrag bis 2018 unterschreiben durfte, ist auch damit zu begründen, dass seine Begabung für das Treten von Eckbällen und Freistößen besonders ausgeprägt ist.

Einziges Manko bleibt die sprachliche Hürde, über die Kiyotake noch springen muss. Seine Deutschkenntnisse sind noch nicht erstligareif. Aber er profitiert von Fehlern, die Hannover 96 nach der Verpflichtung seines Landsmannes Hiroki Sakai gemacht hat. Es hatte mehrere Monate gedauert, bis bei den Entscheidern des Vereins die Erkenntnis gereift war, dass ein Japaner mitten in Niedersachsen dankbar für einen Übersetzer sein könnte.  CHRISTIAN OTTO