Von Beust hält den Atem an

Als erstes Land trifft Hamburg mit der Industrie eine freiwillige Vereinbarung zur Reduzierung von Kohlendioxid. Zwang lehnen die Firmen ab. Senat erklärt geplantes Kohlekraftwerk für unerwünscht

Die elf Unternehmen, die gestern eine freiwillige Selbstverpflichtung zur Reduzierung ihres CO2-Ausstoßes unterzeichneten, gehören zu den bislang größten Emittenten des Treibhausgases in der Hansestadt – allen voran die Hamburger Filiale von Vattenfall Europe und Europas größte Kupferhütte Norddeutsche Affinerie sowie die Lufthansa Technik, die am Flughafen Fuhlsbüttel eine der größten Flugzeugwerften des Kontinents betreibt. Auch die Trimet Aluminiumwerke sowie die Ölraffinerien Schindler und Holborn sorgen seit langem für heiße Luft. Außerdem unterschrieben die Abfall-Verwertungsgesellschaft AVG, ADM Hamburg, Mittal Steel, Sasol Wax und die Stadtreinigung. SMV

VON SVEN-MICHAEL VEIT

Vom „Modellcharakter für andere Regionen in Deutschland“ schwärmt Hamburgs Umweltsenator Axel Gedaschko (CDU), vom Bekenntnis der hanseatischen Wirtschaft zum Klimaschutz als „globale und in der Umsetzung regionale Aufgabe“ spricht der Chef des Industrieverbandes (IVH), Frank Horch. Hehre Worte sind zu hören beim gediegenen Event im Gästehaus des Senats an der Außenalster: Hamburg ist das erste Bundesland, in dem Regierung und Industrie eine freiwillige Absichtserklärung zum Klimaschutz unterzeichnen.

Mindestens 500.000 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr wollen die elf unterzeichnenden Firmen (siehe Kasten) bis 2012 weniger ausstoßen – aber nur auf „dem einzig akzeptablen Weg der freiwilligen Selbstverpflichtung“, stellt Horch klar. „Staatlich verordneter Klimaschutz“, assistiert Wolfgang Wietbrok von der Norddeutschen Affinerie, „wäre kontraproduktiv.“

Das Einsparvolumen entspricht einem Viertel des Reduzierungswertes von zwei Millionen Tonnen jährlich, den Bürgermeister Ole von Beust (CDU) und Gedaschko am 21. August bei der Präsentation des Hamburger Klimaschutzkonzepts genannt hatten. Die restlichen 75 Prozent sollen im Verkehr, bei Häusern und Wohnungen sowie durch die stärkere Nutzung erneuerbarer Energien eingespart werden.

Trotz der zur Schau getragenen Harmonie birgt das Thema Klimaschutz noch Sprengstoff: Der von Vattenfall beantragte Bau eines Kohlekraftwerks in Moorburg ist „so politisch nicht erwünscht“, erklärte Gedaschko am Rande der Veranstaltung im Gespräch mit der taz das Projekt zur Probe aufs Exempel.

Bis zu acht Millionen Tonnen Kohlendioxid würde das Kraftwerk jährlich emittieren. Deshalb gilt es Umweltverbänden und der rot-grünen Opposition als „Dreckschleuder“, die den CO2-Ausstoß Hamburgs um 40 Prozent erhöhen würde. Vor der öffentlichen Erörterung der Planunterlagen, die am Montag beginnt, rufen deshalb die Umweltverbände BUND, Nabu, Robin Wood, Rettet die Elbe und Botanischer Verein sowie Attac zu einer Demonstration am Samstag gegen das Kraftwerk auf.

Gedaschko setzt auf „politische Verhandlungen im Hintergrund“ mit Vattenfall. So könnten etwa die Gebühren für die Entnahme und Wiedereinleitung von Elbewasser „deutlich erhöht“ und an die Tarife in den anderen norddeutschen Ländern angeglichen werden, sinniert der Umweltsenator. Das Kraftwerk Moorburg mit zwei Blöcken und einer Nennleistung von 1.640 Megawatt wäre „der größte Wasserverbraucher“ am Fluss.

Erst vor vier Wochen hatte das Bremer Stromunternehmen SWB auf den Bau eines vergleichbaren Kohlekraftwerks an der Weser verzichtet. Das Projekt sei zu teuer, sagte der SWB-Vorstandsvorsitzende Wilhelm Schoeber. Mit der politischen Kontroverse habe diese rein unternehmerische Entscheidung nichts zu tun.

Moorburg sei „eine Chance für Hamburg“, glaubt hingegen der Vattenfall-Vertreter Klaus Pitschke. Mit einem Wirkungsgrad von 46 Prozent sei die Anlage technisch „hoch effizient“. Zudem müsse das 40 Jahre alte Kohlekraftwerk Wedel an der Landesgrenze von Hamburg und Schleswig-Holstein ersetzt werden. Unterm Strich, so Pitschke, würde die Erzeugung von Strom und Fernwärme in Moorburg etwa zwei Millionen Tonnen CO2 jährlich ersparen. Deshalb sei er „zuversichtlich“, dass bei der öffentlichen Anhörung zu den Plänen „unser Gesamtkonzept sich als stichhaltig erweisen wird“.

Übrigens beabsichtigt Vattenfall künftig jährlich „mehr als 150.000 Tonnen CO2“ nicht in die Luft blasen. So sieht es der gestern unterzeichnete „Letter of Intent“ vor. Das sollte auch mal, mahnt IVH-Boss Horch, „öffentlich gewürdigt werden“.