SPD allein hinter dem Gitter

OBDACHLOSIGKEIT Stahlzaun gegen Wohnungslose treibt die Hamburger SPD in den geordneten Rückzug

So hatte Hamburgs SPD sich die Alleinregierung nicht vorgestellt: Die gesammelte Opposition aus Grünen, Linken, Liberalen und Christdemokraten gegen sich und selbst keine Argumente – selten hat eine Regierungspartei so hilflos agiert wie die SPD, als am Mittwochnachmittag die Bürgerschaft über den Zaun gegen Obdachlose im Stadtteil St. Pauli debattierte. Und so musste Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) letztlich klarstellen, der Zaun werde wieder abgebaut: „Er wirft ein Licht auf diese Stadt, das sie nicht verdient.“

Vorige Woche hatte der Bezirksbürgermeister von Hamburg-Mitte, Markus Schreiber (SPD), die Schlafplätze von Obdachlosen unter einer Brücke am Hafenrand mit einem Stahlgitterzaun abgetrennt. 20 Meter lang, 2,80 Meter hoch und 18.000 Euro teuer – und nach überwiegender öffentlicher Meinung „ein Schandfleck“. Nach tagelangen Protesten und Demonstrationen beginnt die SPD nun zurückzurudern.

Ein Moderationsverfahren unter Leitung von Hans-Peter Strenge, Präsident der Synode der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche, soll einen Ausweg aus der verfahrenen Situation aufzeigen. Hinter vorgehaltener Hand räumen führende Sozialdemokraten bereits ein, dass der Zaun wegkommt. Der Runde Tisch unter Strenges Leitung soll dem Bezirksfürsten lediglich einen Rückzug ohne Gesichtsverlust ermöglichen.

Nach Ansicht der Opposition in der zweistündigen und hitzigen Debatte im Landesparlament muss die Sperre „sofort“ abgebaut werden, wie es CDU-Fraktionschef Dietrich Wersich forderte. Für die FDP ist der Zaun „martialisch und ein falsches Signal“, für die Grünen ein „Symbol der Ausgrenzung und Ausdruck menschenverachtender Politik“. Die Linke verstieg sich gar zu einer hanseatisch-stadtstaatstragenden Formulierung: „Dieser Zaun ist nicht Hamburg.“

Der Alleingang des Bezirkspolitikers hat das Thema Obdachlosigkeit in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gerückt. Es müssten „gemeinsam Lösungen entwickelt werden“, versicherte Scheele, die auch den Obdachlosen nützten und von den Sozialverbänden der Stadt getragen würden. „Weitere Kapazitäten“ sollten geschaffen werden, so Scheele – wohl wissend, dass seine Behörde dafür Geld bereitstellen müsste.

Er kündigte an, angesichts des bevorstehenden Winters möglichst schnell „500 zusätzliche Unterbringungsplätze“ sowie flankierend soziale Hilfen anzustreben. Ein Zaun jedenfalls, um Obdachlose wegzusperren, stellte SPD-Fraktionschef Andreas Dressel klar, „kann nicht Teil der Lösung sein“. SMV