Off-Kino
: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

Bekannt wurde die in Korea geborene New Yorker Künstlerin Nikki S. Lee durch schnappschussartige Fotografien, auf denen zu sehen ist, wie sie in ihr fremde soziokulturelle Strukturen eintaucht: Da wird die Mittdreißigerin dann zu einer Skaterin, zur Stripperin oder zu einer älteren Dame im Park. Ihr filmisches Selbstporträt „a.k.a. Nikki S. Lee“ führt diese Arbeit konsequent fort, denn auch hier ist nie ganz klar, wo die Wahrheit anfängt und aufhört. Nikki S. Lee zeigt ein Dasein als Künstlerin, wie es sich ihr Publikum vielleicht vorstellen könnte: teils als ein flippiges Jet-Set-Leben mit glamourösen Partys, Begegnungen mit Prominenten und Shoppen in Venedig, teils als durchaus seriöse Treffen mit Sammlern und Kuratoren, mit denen die Künstlerin sodann ihre Arbeit erörtert. Als Zuschauer kann man sich dabei stets fragen, was real und was gestellt ist. Spannend.

Eine Filmreihe zum umfangreichen Thema „Deutsch-Französische Filmbegegnungen“ bietet zurzeit das Filmmuseum Potsdam. In dieser Woche geht es um die französische Filmproduktion während der Nazi-Besatzung. Die wichtigste Rolle spielte dabei die von deutschem Geld gespeiste und von dem deutschen Produzenten Alfred Greven geführte Produktionsfirma Continental, deren Geschichte die Dokumentation „Tarnname Continental“ aufrollt. Für die Continental arbeitete auch der Regisseur und Autor Henri-Georges Clouzot, der 1943 mit seinem Film „Le corbeau“ (Der Rabe) eines der umstrittensten Werke der Ära vorlegte: Sein tiefschwarzes Drama um einen Autor anonymer Beschuldigungen, der die Bevölkerung eines kleinen Provinznestes in Aufruhr versetzt, gefiel weder den Nazis, die letztlich ihr eigenes Spitzel- und Denunziantensystem angeprangert sahen, noch den patriotischen Widerstandskämpfern, die durch den Film ganz Frankreich beleidigt und verleumdet glaubten. Tatsächlich ist Clouzots Sichtweise vor allem pessimistisch, denn in „Le corbeau“ gibt es weder eine sympathische noch eine unbescholtene Figur: Hier hat jeder etwas zu verbergen, vom kleinsten Schulmädchen bis zu den Honoratioren der Stadt. Vor der Vorführung des Films wird der Filmjournalist Gerhard Midding mit dem Filmhistoriker Jean-Pierre Jeancolas diskutieren.

Die Generallinie gab gegen Ende der 1920er Jahre in der Sowjetunion natürlich vornehmlich einer vor: Genosse Stalin. Jener bestellte dann auch bei Sergej Eisenstein einen Film über das russische Dorf, der die glorreiche Entwicklung vom rückständigen Kleinbauerntum zur superproduktiven Agrargenossenschaft feiern sollte. Eisenstein und sein Kameramann Eduard Tisse gaben ihr Bestes: Mit „Die Generallinie“ entstand ein Propagandafilm von fantastischer fotografischer Qualität mit orgiastischen Szenen über Butterzentrifugen und wahnwitzigen Montagesequenzen mit Kuhkopulationen für den Fortschritt. Und wenn am Ende die mutige Bäuerin der glücklichen Sowchose auch noch ihren Trecker bekommt, fragt man sich verzweifelt, warum bloß in aller Welt man nicht selbst Traktorist geworden ist. LARS PENNING

„a.k.a. Nikki S. Lee“ 16. 9. im Haus der Kulturen der Welt

„Tarnname Continental“ 13. 9.; „Le corbeau“ (O.m.engl.U) 14. 9. im Filmmuseum Potsdam

„Die Generallinie“ 14. 9. im Kino Krokodil