OFF-KINO
: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

In unseren Breitengraden erfährt man über das abgeschottete Nordkorea nur selten etwas, und wenn, dann Unerfreuliches. Doch Unkenntnis macht Angst, weshalb es umso begrüßenswerter erscheint, wenn man dank einer umfangreichen Filmreihe einen Einblick in das Selbstverständnis des Landes bekommt. Die Reihe im Babylon-Mitte zeigt Filme aus allen zeitlichen Perioden des 1948 gegründeten Staates, so dass neben zeitgenössischen Stoffen auch Klassiker des nordkoreanischen Films zu sehen sind, die zeigen, wie wichtig der Kampf gegen die Japaner im Zweiten Weltkrieg für das Selbstverständnis war: So erzählt das Melodram „Das Blumenmädchen“ (1972), die aufwendig produzierte Adaption einer Oper des ersten Staatspräsidenten Kim Il Sung, in epischer Breite von den Demütigungen und dem menschenunwürdigen Leben der Titelheldin und ihrer Familie unter der Knute der Japaner in den 1930er Jahren – ehe der längst tot geglaubte Bruder zurückkehrt und dank Revolutionsarmee eine friedliche Zukunft ohne Ausbeuter verspricht. (OmenglU, 1. 10., Babylon Mitte)

Als der große 3-D-Boom vor einigen Jahren startete, waren interessanterweise gar nicht die Amerikaner, sondern der belgische IMAX-Veteran Ben Stassen ganz vorne dabei: Nach „Fly Me to the Moon“ produzierte er auch mit „Sammys Abenteuer – Die Suche nach der geheimen Passage“ einen familienkompatiblen und technisch ansprechenden 3-D-Animationsfilm: Hier erlebt die schüchterne Meeresschildkröte Sammy auf einer langwierigen Suche nach dem charmanten Schildkrötenmädchen Shelly vielerlei Abenteuer. Für ganz junge Zuschauer mögen die Zusammentreffen Sammys mit Haien, Hippies und Fischernetzen noch etwas zu aufregend sein, die etwas älteren aber erfahren dabei nicht nur etwas über Schildkrötenbiologie, sondern auch über menschgemachte Umweltbedrohungen. (1. 10.–3. 10., Sputnik)

Das filmische Werk des ehemaligen Filmkritikers Olivier Assayas ist deutlich zu divers und komplex, als dass man es mit einigen dürren Sätzen charakterisieren könnte. Da stehen Dokumentationen neben dramatischen Gegenwartsstoffen, Musikfilme neben Porträts anderer Regisseure. Einen Überblick kann man sich bei einer Werkschau im Arsenal verschaffen, die mit „Irma Vep“ (1996) eröffnet wird, einer Reflexion über das Kino, in der Fiktion, Theorie, Dokumentarisches und Satirisches gleichberechtigt nebeneinander stehen. Ein fiktiver Nouvelle-Vague-Regisseur dreht darin ein Remake des berühmten Louis-Feuillade-Serials „Les vampires“ und hat die Rolle der faszinierenden Verbrecherin Irma Vep dem Hongkong-Filmstar Maggie Cheung angetragen, die sich ein Stück weit selbst spielt – und in die Assayas damals auch noch verliebt war. Kein Wunder also, dass der Film eine Liebeserklärung an Maggie Cheung ist und an ihr Image als geheimnisvolle und erotische Frau. Am 3. und 4. Oktober wird Assayas auch zu Gast im Arsenal sein und „L’heure d’été“ (2008) vorstellen. („Irma Vep“, 1. 10.; „L’heure d’été“, 3. 10., Arsenal) LARS PENNING