Moskaus Sprengkiller

Russland will mit dem „Vater aller Bomben“ die stärkste nichtnukleare Vakuumwaffe der Welt entwickelt haben

BERLIN taz ■ Das Wettrüsten zwischen Ost und West geht auch fast zwei Jahrzehnte nach Ende des Kalten Krieges weiter. Die russische Regierung lässt auch dank ihrer an den Rohstoffmärkten wiedererstarkten Macht gerne einmal die militärischen Muskeln spielen, um den Amerikanern zu zeigen, dass man das alte Spiel nicht verlernt hat.

Jüngstes Beispiel ist der sogenannte Vater aller Bomben, eine Vakuumwaffe, deren Funktionsfähigkeit die russische Armee mit Propaganda-Fernsehbildern im Inland präsentierte. Die Bombe soll stärker sein als im US-Arsenal enthaltene vergleichbare Sprengkiller.

Vakuumbomben teilen mit Atombomben einige schreckliche Eigenschaften, ohne dass es zu einer anschließenden Verstrahlung des Abwurfgebietes kommt, da es sich um konventionelle Waffen handelt. Zur Funktionsweise gehört vor allem die mächtige und kaum zu kontrollierende Druckwelle, die auch ein Vakuum erzeugt. Stirbt man nicht an der Druck- oder Hitzewirkung, rafft einen der entzogene Sauerstoff dahin.

Auch entfaltet das Vakuum zerstörerische Kräfte. Die Druckwirkung hält außerdem wesentlich länger an als bei normalen Sprengmitteln wie TNT; sie kann auch in die Tiefe eindringen. Es wird zudem deutlich heißer.

Die in der Atmosphäre gezündete „Vater“-Waffe der Russen wurde in einem Bericht präsentiert, der auf den staatlichen Fernsehsendern „ORT“ und „Vesti“ lief. Der Vizestabschef der russischen Streitkräfte, Alexander Rukschin, sagte, die nun getestete Waffe sei mit keiner anderen ihrer Art vergleichbar. Sie sei so „effizient und leistungsfähig wie eine Nuklearwaffe“. Das russische Militär ließ den Testsprengsatz von einem Tupolev Tu-160-Bomber über einem Militärgelände abwerfen.

Die Kamera schwenkte nach der Explosion über ein mehrstöckiges Wohnhaus, das nur noch aus Schutt und Asche bestand. Neben der nationalen Sicherheit, betonte Rukschin, solle die Waffe auch sicherstellen, dass Russland im Kampf gegen den internationalen Terrorismus „jederzeit und überall einsatzbereit“ sei. Zudem wies das Verteidigungsministerium darauf hin, dass mit der Entwicklung der neuen Waffe keine Sperrverträge verletzt worden seien.

Bereits 2003 zündeten die USA einen Sprengsatz mit dem Codenamen „MOAB“ („Massive Ordnance Air-Burst Bomb“), der als bislang stärkste konventionelle Bombe galt. Das Kürzel wird auch mit „Mütter aller Bomben“ übersetzt. Angeblich ist die russische Entwicklung vier Mal stärker als die „MOAB“. Die verwendete Technologie ist eine andere als die bei der russischen Vakuumbombe. Die Amerikaner wollten die Waffen mit großer Druckwelle auch zur psychologischen Kriegsführung im Rahmen ihrer „Shock and Awe“-Taktik einsetzen. Der laut Presseberichten letzte Einsatz derartiger Waffen soll im Frühjahr 2002 erfolgt sein. Auf der Jagd nach dem Al-Qaida-Chef Bin Laden wurden Höhlenanlagen in Afghanistan damit bombardiert.

BEN SCHWAB